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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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an sich hat, das er noch nicht versteht. Es ist nicht das Übliche – Schuld, Wut oder Hass. Es ist eher eine Art gigantischer Widerstand. Er bekommt es nicht zu fassen. Ein Verteidigungsmechanismus oder Schutzwall, der mit nichts zu vergleichen ist, was er bisher erlebt hat.
    »Hasen?«, fragt er.
    »Ja.«
    »Gibt es da viele Hasen?«
    »Geht so.«
    »Wie schmecken sie?«
    »Süß.«
    Joona denkt daran zurück, wie sie in der kalten Luft vor dem Haus stand. Er versucht, sich den Ablauf vor Augen zu führen.
    Erik Maria Bark hatte ihr das Gewehr abgenommen. Er hielt es über den Arm gelegt, und es war aufgeklappt. Evelyn blinzelte ihn im Sonnenschein an. Schlank und groß, die sandbraunen Haare zu einem hohen, vollen Pferdeschwanz gesammelt. Eine silbrige Daunenjacke und eine Hüfthose, die feuchten Turnschuhe, die Kiefern hinter ihr, das Moos auf der Erde, die Preiselbeersträucher und der zertretene Fliegenpilz.
    Plötzlich entdeckt Joona einen Bruch in Evelyns Worten. Der Gedanke ist schon einmal flüchtig aufgetaucht, aber dann hat er ihn wieder vergessen. Jetzt steht ihm der Bruch erneut ganz deutlich vor Augen. Als er im Sommerhaus der Tante mit Evelyn sprach, saß sie vollkommen regungslos auf dem Cordsofa, die Hände zwischen die Oberschenkel geklemmt. Auf dem Fußboden zu ihren Füßen lag ein Foto in einem Fliegenpilzrahmen. Auf dem Bild sah man Evelyns kleine Schwester. Sie saß zwischen ihren Eltern, und in ihrer großen Brille spiegelte sich das Sonnenlicht.
    Ihre Schwester muss auf dem Bild vier, höchstens fünf gewesen sein, denkt Joona. Die Aufnahme ist also höchstens ein Jahr alt.
    Evelyn hat behauptet, Josef sei viele Jahre nicht mehr in dem Sommerhaus gewesen, aber Josef hat das Foto unter Hypnose beschrieben.
    Es könnte natürlich mehrere Kopien der Aufnahme in anderen Fliegenpilzrahmen geben, überlegt Joona. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass ausgerechnet dieses Bild mal hier, mal da gehangen hat. Josef könnte zudem auch ohne Evelyns Wissen im Sommerhaus gewesen sein.
    Aber, sagt er sich, es könnte auch ein Bruch in Evelyns Geschichte sein. Das ist nicht auszuschließen.
    »Evelyn«, sagt Joona. »Ich denke gerade über etwas nach, was Sie vorhin gesagt haben.«
    Es klopft an die Tür des Vernehmungszimmers. Evelyn bekommt Angst und schrickt zusammen. Joona steht auf und öffnet die Tür. Es ist Oberstaatsanwalt Jens Svanehjälm, der Joona bittet, ihn hinauszubegleiten.
    »Ich lasse sie laufen«, sagt Svanehjälm. »Das ist doch alles Unsinn, wir haben absolut nichts in der Hand, eine ungültige Vernehmung mit ihrem fünfzehnjährigen Bruder, der andeutet, dass sie …«
    Als er Joonas Blick begegnet, verstummt Svanehjälm.
    »Dir ist etwas aufgefallen«, sagt er. »Stimmt’s?«
    »Das spielt keine Rolle«, antwortet Joona.
    »Lügt sie?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht …«
    Svanehjälm streicht sich übers Kinn, denkt nach.
    »Gib ihr ein Brot und eine Tasse Tee«, sagt er schließlich. »Danach gebe ich dir noch eine Stunde, bis ich entscheide, ob wir sie in Untersuchungshaft nehmen oder nicht.«
    »Es ist nicht gesagt, dass ich etwas herausfinde.«
    »Aber du versuchst es, oder?«
     

     
    Joona stellt einen Plastikbecher mit schwarzem Tee und ein Brot auf einer Papierserviette vor Evelyn ab und setzt sich auf seinen Stuhl.
    »Ich dachte, Sie könnten vielleicht Hunger haben«, meint er.
    »Danke«, sagt sie und sieht für ein paar Sekunden etwas froher aus.
    Ihre Hand zittert, als sie das Brot isst und die Krümel auf dem Tisch zusammenfegt.
    »Evelyn, im Haus Ihrer Tante gibt es ein Foto in einem Rahmen, der wie ein Pilz aussieht.«
    Evelyn nickt.
    »Sie hat ihn in Mora gekauft, sie fand, dass er gut in das Haus passt und …«
    Sie verstummt und bläst auf ihren Tee.
    »Haben Sie daheim noch mehr Rahmen, die so aussehen?«
    »Nein«, sagt sie lächelnd.
    »Hat das Foto schon immer in dem Sommerhaus gestanden?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragt sie schwach.
    »Nichts weiter, es ist nur so, dass Josef von dem Bild gesprochen hat, er muss es also gesehen haben, und deshalb dachte ich, dass Sie vielleicht etwas vergessen haben.«
    »Nein.«
    »Das war alles«, sagt Joona und steht auf.
    »Sie wollen gehen?«
    »Evelyn, ich vertraue Ihnen«, sagt Joona ernst.
    »Jeder scheint zu glauben, dass ich in die Sache verwickelt bin.«
    »Aber das sind Sie nicht – stimmt’s?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Nicht auf diese Art«, sagt Joona.
    Sie wischt hastig Tränen von

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