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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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der Sekretär von einer Aktiengesellschaft.«
    »Wenn ich also lange werde warten müssen, so möchte ich Sie fragen:
kann man hier nicht irgendwo rauchen? Eine Pfeife und Tabak habe ich
bei mir.«
    »Rau-chen?« versetzte der Kammerdiener, ihn geringschätzig und
erstaunt anstarrend, als ob er seinen Ohren nicht traute. »Rauchen?
Nein, hier können Sie nicht rauchen, und Sie sollten sich schämen, auch
nur daran zu denken. Haha ... Sonderbar!«
    »Oh, ich meinte ja nicht in diesem Zimmer; daß das nicht geht, weiß
ich ja; sondern ich würde irgendwohin gehen, wohin Sie mich weisen
würden, denn ich bin daran gewöhnt und habe jetzt schon drei Stunden
lang nicht geraucht. Übrigens, wie Sie es für gut halten; wissen Sie,
es gibt ein Sprichwort: Kommst du in ein fremdes Kloster, so suche da
nicht deine eigene Ordnung einzuführen.«
    »Na, wie soll ich Sie melden, so einen eigentümlichen Besucher?«
murmelte der Kammerdiener beinah unwillkürlich. »Erstens gehört es sich
nicht, daß Sie sich hier aufhalten; Sie sollten im Wartezimmer sitzen,
weil Sie selbst sich als Besucher, das heißt als Gast, bezeichnen; da
wird Rechenschaft von mir gefordert werden ... Wie ist es?
Beabsichtigen Sie etwa bei uns zu wohnen?« fügte er hinzu, noch einmal
nach dem Bündel des Fürsten hinschielend, das ihm offenbar keine Ruhe
ließ.
    »Nein, das beabsichtige ich nicht. Selbst wenn ich dazu aufgefordert
würde, würde ich nicht hierbleiben. Ich bin ganz einfach nur
hergekommen, um die Bekanntschaft der Herrschaften zu machen, weiter
nichts.«
    »Wie? Um die Bekanntschaft zu machen?« fragte der Kammerdiener
erstaunt und mit verdreifachtem Mißtrauen. »Wie konnten Sie dann aber
zuerst sagen, Sie kämen mit einem Anliegen?«
    »Oh, ich kann kaum sagen: mit einem Anliegen! Das heißt, wenn Sie
wollen, habe ich auch ein Anliegen, das aber nur darin besteht, daß ich
um einen Rat bitten möchte. In der Hauptsache aber bin ich gekommen, um
mich vorzustellen, da ich Fürst Myschkin bin und die Generalin
Jepantschina gleichfalls die letzte Fürstentochter aus der Familie
Myschkin ist und es außer mir und ihr keine Myschkins mehr gibt.«
    »Also sind Sie gar noch ein Verwandter?« rief der erschrockene
Diener, den ordentlich ein Schauder überlief. »Auch das ist kaum
richtig. Übrigens, strenggenommen: gewiß, wir sind Verwandte, aber so
entfernte, daß wir uns eigentlich kaum als solche betrachten können.
Ich habe mich einmal vom Ausland aus brieflich an die Generalin
gewandt; aber sie hat mir nicht geantwortet. Ich habe es aber doch für
notwendig gehalten, bei meiner Rückkehr hier Beziehungen anzuknüpfen.
Ihnen aber setze ich das alles jetzt auseinander, um Ihre Zweifel zu
zerstreuen; denn ich sehe, Sie beunruhigen sich immer noch. Melden Sie
nur, daß Fürst Myschkin da ist, und der Anlaß meines Besuchs wird schon
aus der Meldung ersichtlich sein. Empfangen sie mich, gut; empfangen
sie mich nicht, auch gut, vielleicht sogar sehr gut. Aber ich glaube,
sie werden nicht anders können, als mich empfangen; die Generalin wird
gewiß wünschen, den einzigen noch lebenden Repräsentanten ihres
Geschlechtes zu sehen; denn wie ich über sie mit Bestimmtheit gehört
habe, legt sie auf ihre Herkunft großen Wert.«
    Es hätte scheinen können, daß diese Mitteilungen des Fürsten höchst
einfach und natürlich waren; aber je einfacher und natürlicher sie an
sich waren, um so absonderlicher kamen sie im gegenwärtigen Augenblick
heraus, und der erfahrene Kammerdiener konnte nicht umhin, in ihnen
etwas zu finden, was, von einem Menschen zu einem andern Menschen
gesagt, durchaus angemessen, aber von einem Gast zu einem Diener
gesagt, völlig unangemessen war. Aber da die Diener weit verständiger
sind, als die Herrschaften gewöhnlich glauben, so ging es auch dem
Kammerdiener durch den Kopf, daß hier zwei Fälle möglich seien:
entweder sei der Fürst so ein Herumtreiber und jedenfalls gekommen, um
bei der Herrschaft um ein Almosen zu bitten, oder er sei einfach ein
Narr und ohne Ehrgefühl, da ein vernünftiger Fürst, der Ehrgefühl
besitze, nicht im Vorzimmer sitzen und mit einem Diener über seine
Angelegenheiten reden würde. Hatte er also nicht sowohl in dem einen
wie in dem andern Falle die Anmeldung zu verantworten?
    »Aber Sie sollten sich doch in das Wartezimmer begeben«, bemerkte er möglichst energisch.
    »Wenn ich da gesessen hätte, so hätte ich Ihnen das alles ja nicht
auseinandersetzen können«, versetzte der Fürst in

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