Der Idiot
Gedanke gekommen. Jetzt aber will ich mich amüsieren; ich
bin ja eine Straßendirne! Ich habe zehn Jahre lang im Gefängnis
gesessen; jetzt kommt für mich die Zeit des Glücks! Nun, wie steht's,
Rogoschin? Mach dich fertig; wir wollen fahren!«
»Wir wollen fahren!« brüllte Rogoschin, fast rasend vor Freude. »Heda, ihr alle ... Wein her! Oh, ach!«
»Sorge nur für Wein; ich werde trinken! Wird auch Musik da sein?«
»Gewiß, gewiß! Nicht herangehen!« schrie Rogoschin wütend, als er
sah, daß Darja Alexejewna sich Nastasja Filippowna nähern wollte. »Sie
gehört mir! Alles gehört mir! Sie ist meine Königin! Ich habe es
erreicht!«
Er konnte vor Freude kaum atmen; er ging um Nastasja Filippowna
herum und schrie allen zu: »Nicht herankommen!« Sein ganzes Gefolge war
nun in den Salon eingedrungen. Die einen tranken, andere schrien und
lachten; alle waren in höchst animierter, ungezwungener Stimmung.
Ferdyschtschenko machte Versuche, sich ihnen anzuschließen. Der General
und Tozki machten wieder eine Bewegung, um möglichst bald zu
verschwinden.
Auch Ganja hatte den Hut in der Hand; aber er stand schweigend da
und schien sich von dem Bild, das sich da vor seinen Augen entrollte,
noch nicht losreißen zu können.
»Nicht herankommen!« schrie Rogoschin.
»Aber was brüllst du denn?« schalt ihn Nastasja Filippowna lachend.
»Ich bin hier noch die Wirtin in meiner eigenen Wohnung; wenn ich will,
kann ich dich immer noch mit Rippenstößen hinausjagen lassen. Noch habe
ich das Geld nicht von dir angenommen; da liegt es; gib es her, das
ganze Päckchen! Also in diesem Päckchen sind hunderttausend Rubel?
Pfui, wie schmutzig es aussieht! Was hast du, Darja Alexejewna? Sollte
ich ihn denn wirklich zugrunde richten?« (Sie wies auf den Fürsten.)
»Wie kann er denn heiraten? Er braucht ja selbst noch eine Wärterin;
der General dort, der wird nun seine Wärterin sein; sieh nur, wie er um
ihn herumscharwenzelt! Schau her, Fürst, deine Braut hat das Geld
genommen, weil sie eine Dirne ist; und du wolltest sie heiraten! Aber
warum weinst du denn? Es ist dir wohl schmerzlich, wie? Aber meiner
Ansicht nach solltest du lachen«, fuhr Nastasja Filippowna fort, der
selbst zwei große Tränen auf den Wangen funkelten. »Vertraue auf die
Zeit; es geht alles vorüber! Besser, man bedenkt das jetzt, als später
... Und warum weint ihr denn? Da, auch Katja weint! Was hast du denn,
liebe Katja? Ich lasse dir und Pascha viel zurück; ich habe darüber
schon die nötigen Anordnungen getroffen; jetzt aber lebt wohl! Ich habe
von dir, einem anständigen Mädchen, verlangt, daß du mich, eine Dirne,
bedienen solltest ... Es ist besser so, Fürst, wirklich besser; du
würdest mich später verachten, und es würde nicht unser Glück sein!
Schwöre nicht! Ich glaube es nicht. Und wie dumm würde es auch sein
...! Nein, am besten scheiden wir voneinander als gute Freunde; auch
ich bin ja eine Träumerin; es würde nichts Gutes dabei herauskommen!
Habe ich nicht selbst von dir geträumt? Darin hast du recht; ich habe
schon lange von dir geträumt, schon als ich bei ihm auf dem Dorf fünf
Jahre lang mutterseelenallein lebte; da denkt und denkt man manchmal
und träumt und träumt, und da habe ich mir immer so einen Mann
vorgestellt, wie du einer bist, einen guten, ehrenhaften, braven, ein
bißchen dummen Mann, der auf einmal kommt und sagt: ›Sie tragen keine
Schuld, Nastasja Filippowna, und ich vergöttere Sie!‹ Und ich versenkte
mich manchmal so in meine Träumereien, daß ich fast den Verstand verlor
... Und da kam nun dieser Mensch hier: alle Jahre blieb er zwei Monate
lang zu Besuch, entehrte und schändete mich, entflammte und verdarb
mich und fuhr dann wieder davon. Tausendmal habe ich in den Teich
springen wollen; aber ich war zu feige, mein Mut reichte dazu nicht
aus. Nun, aber jetzt ... Rogoschin, bist du bereit?«
»Alles bereit! Nicht herankommen!«
»Alles bereit!« riefen mehrere Stimmen.
»Die Troiken warten, mit Schellen!«
Nastasja Filippowna nahm das Päckchen in die Hand.
»Ganja, mir ist ein Gedanke gekommen: ich will dich entschädigen;
denn warum solltest du alles verlieren? Rogoschin, wird er für drei
Rubel bis nach der Wasili-Insel kriechen?«
»Jawohl, das wird er tun!«
»Nun denn, so höre, Ganja; ich will zum letztenmal einen Blick in
deine Seele tun; du hast mich deinerseits ganze drei Monate lang
gequält; jetzt ist die Reihe an mir. Du siehst dieses Päckchen; darin
sind hunderttausend
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