Der Idiot
zu
besänftigen. Aber es trat wieder ein neues Ereignis ein: schon zu Ende
des Frühjahrs (Adelaidas Hochzeit hatte sich etwas verzögert und war
nun auf die Mitte des Sommers angesetzt worden) führte Fürst Schtsch.
bei der Jepantschinschen Familie einen entfernten Verwandten von sich
ein, mit dem er aber sehr gut bekannt war. Es war dies ein gewisser
Jewgeni Pawlowitsch R., ein noch sehr junger Mann (er mochte ungefähr
achtundzwanzig Jahre alt sein), Flügeladjutant, bildschön, von
vortrefflicher Herkunft, geistreich, elegant, »ein Anhänger der neuen
Ideen«, »hochgebildet« und unerhört reich. Hinsichtlich dieses letzten
Punktes war der General immer sehr vorsichtig. Er zog Erkundigungen ein
und äußerte dann: »Die Sache scheint sich tatsächlich so zu verhalten;
indes ist doch noch weitere Bestätigung erforderlich.« Dieser junge
Flügeladjutant, dem man eine große Zukunft prophezeite, erhielt noch
eine besondere Empfehlung durch die Art, wie sich die alte Fürstin
Bjelokonskaja in Moskau in ihren Briefen über ihn aussprach. Nur in
einem Punkt war sein Ruf etwas bedenklich: er sollte mehrere Liaisons
gehabt und, wie behauptet wurde, mehrere Siege über unglückliche Herzen
davongetragen haben. Nachdem er Aglaja gesehen hatte, wurde er in der
Familie Jepantschin ein überaus häufiger Gast. Er hatte zwar noch
nichts deutlich ausgesprochen, ja nicht ein mal irgendwelche
Andeutungen gemacht; aber die Eltern waren doch der Ansicht, man müsse
für diesen Sommer den Plan einer Auslandsreise aufgeben. Aglaja selbst
war vielleicht anderer Meinung.
Dies begab sich, kurz bevor unser Held zum zweitenmal auf dem
Schauplatz unserer Erzählung erschien. Zu dieser Zeit war, nach dem
äußeren Schein zu urteilen, der arme Fürst Myschkin in Petersburg
bereits vollständig in Vergessenheit geraten. Wäre er jetzt auf einmal
unter den Menschen, die ihn kannten, erschienen, so würden sie so
überrascht gewesen sein, als ob er vom Himmel gefallen wäre. Aber wir
wollen inzwischen von noch einem Ereignis Mitteilung machen und damit
unsere Einleitung beschließen.
Kolja Iwolgin setzte nach der Abreise des Fürsten anfangs sein
früheres Leben fort, das heißt er ging ins Gymnasium, besuchte seinen
Freund Ippolit, beaufsichtigte den General und half seiner Schwester
Warja in der Wirtschaft, indem er Laufburschendienste verrichtete. Aber
die Untermieter verschwanden schnell: Ferdyschtschenko zog drei Tage
nach dem Vorfall, der in Nastasja Filoppownas Wohnung stattgefunden
hatte, aus und war sehr bald verschollen, so daß man von ihm überhaupt
nichts mehr zu hören bekam; es hieß, daß er irgendwo trinke; aber es
fehlte dafür die Bestätigung. Der Fürst reiste nach Moskau; so war es
mit den Untermietern zu Ende. Als sich dann Warja verheiratete, zogen
Nina Alexandrowna und Ganja mit ihr zusammen zu Ptizyn in die
Ismailowskaja-Straße; was den General Iwolgin anlangt, so begegnete ihm
fast gleichzeitig etwas ganz Unvorhergesehenes: er wurde ins
Schuldgefängnis gesetzt. Veranlaßt hatte dies seine Freundin, die
Hauptmannsfrau, auf Grund der Schuldscheine, die er ihr zu
verschiedenen Zeiten im Gesamtbetrag von etwa zweitausend Rubeln
gegeben hatte. Das war für ihn eine vollständige Überraschung, und der
arme General war nun »entschieden ein Opfer seines zu weit gehenden
Glaubens an den Edelmut des menschlichen Herzens, allgemein gesagt«. Da
er sich angewöhnt hatte, Schuldscheine und Wechsel zu unterschreiben,
ohne sich im geringsten darüber zu beunruhigen, so hatte er gar nicht
an die Möglichkeit gedacht, daß solche Urkunden jemals wirksam werden
könnten, sondern immer gemeint, das sei nur so eine Form. Nun stellte
sich heraus, daß es nicht nur so eine Form war. »Und da soll man sich
nun noch auf Menschen verlassen und ihnen ein edelmütiges Vertrauen
schenken!« rief er bekümmert aus, als er mit seinen neuen Freunden im
Tarasowschen Haus bei einer Flasche Wein saß und ihnen seine
Geschichten von der Belagerung von Kars und von dem auferstandenen
Soldaten erzählte. Er führte dort übrigens ein höchst angenehmes Leben.
Ptizyn und Warja sagten, daß das für ihn ganz der richtige Ort sei, und
Ganja stimmte ihnen völlig bei. Nur die arme Nina Alexandrowna weinte
im stillen bitterlich, worüber ihre Angehörigen sehr verwundert waren,
und obwohl sie fortwährend kränkelte, schleppte sie sich doch, so oft
sie nur konnte, nach dem Schuldgefängnis hin, um ihren Mann zu besuchen.
Aber seit der Zeit, wo den
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