Der Idiot
und ...
›heute habe ich auf die eingereichte Bittschrift endgültig einen
ablehnenden Bescheid erhalten; und ich habe fast kein Brot mehr, nichts
habe ich, und nun ist noch meine Frau niedergekommen. Ich ... ich ...‹
Er sprang vom Stuhl auf und wandte sich ab. Seine Frau weinte in der
Ecke; das Kind begann wieder zu wimmern. Ich zog mein Notizbuch heraus
und begann darin zu schreiben. Als ich damit fertig war und mich erhob,
stand er vor mir und sah mich in ängstlicher Spannung an. ›Ich habe mir
Ihren Namen notiert‹, sagte ich zu ihm, ›nun, und auch alles übrige:
den Ort, wo Sie angestellt waren, den Namen Ihres Gouverneurs und die
Daten. Ich habe einen Bekannten, noch von der Schule her, er heißt
Bachmutow; dessen Onkel ist der Wirkliche Staatsrat Peter Matwejewitsch
Bachmutow, der als Departementsdirektor ...‹
›Peter Matwejewitsch Bachmutow!‹ rief mein Mediziner, zitternd vor
Aufregung. ›Aber das ist ja gerade der Mann, von dem fast alles
abhängt!‹
Tatsächlich nahm die Geschichte meines Mediziners, an deren weiterer
Entwicklung ich, durch den Zufall veranlaßt, mitwirkte, nun einen so
glücklichen Gang, als ob alles dazu sorgsam vorbereitet gewesen wäre,
ganz wie in einem Roman. Ich sagte diesen armen Leuten, sie sollten
sich bemühen, auf mich keinerlei Hoffnungen zu setzen; ich sei selbst
nur ein armer Gymnasiast (ich setzte mich selbst absichtlich herunter;
ich hatte das Gymnasium schon längst absolviert und war nicht mehr
Gymnasiast); es habe keinen Zweck, ihnen meinen Namen anzugeben; aber
ich würde mich sofort nach der Wasili-Insel zu meinem Kameraden
Bachmutow begeben, und da ich zuverlässig wisse, daß sein Onkel, der
Wirkliche Staatsrat, ein kinderloser Junggeselle, an seinem Neffen, in
dem er den letzten Sproß seines Geschlechts sehe, außerordentlich hänge
und ihn sehr in sein Herz geschlossen habe, so ›wird mein Kamerad
vielleicht imstande sein, mir zu Gefallen bei seinem Onkel etwas für
Sie durchzusetzen ...‹
›Wenn mir nur gestattet würde, mich vor Seiner Exzellenz zu
rechtfertigen! Könnte ich nur der Ehre teilhaftig werden, die Sache
mündlich darzulegen!‹ rief er; er zitterte wie im Fieber, und seine
Augen glänzten.
So drückte er sich aus: ›Könnte ich nur der Ehre teilhaftig werden!‹
Nachdem ich noch einmal wiederholt hatte, die Sache werde
wahrscheinlich mißlingen und alles sich als Torheit herausstellen,
fügte ich hinzu, wenn ich morgen vormittag nicht zu ihnen käme, so sei
die Sache aus, und sie hätten nichts mehr zu erwarten. Sie begleiteten
mich unter Verbeugungen hinaus und waren fast wie von Sinnen. Nie werde
ich ihren Gesichtsausdruck vergessen.
Ich nahm mir eine Droschke und fuhr sogleich nach der Wasili-Insel.
Mit diesem Bachmutow hatte ich auf dem Gymnasium mehrere Jahre lang
auf gespanntem Fuß gelebt. Er galt bei uns für einen Aristokraten;
wenigstens nannte ich ihn so: er war stets elegant gekleidet und kam in
eigener Equipage angefahren; indessen renommierte er nicht, sondern
benahm sich stets als guter Kamerad; er war immer außerordentlich
heiter und sogar manchmal recht witzig, obgleich es mit seinem Verstand
nicht weit her war, trotzdem er in der Klasse immer den ersten Platz
innehatte; ich dagegen war nie in irgendeinem Gegenstand der Erste.
Alle Kameraden mochten ihn gern leiden, nur ich nicht. Mehrmals hatte
er sich mir im Lauf jener Jahre zu nähern versucht; aber ich hatte mich
jedesmal mürrisch und gereizt von ihm abgewandt. Jetzt hatte ich ihn
schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen; er besuchte die Universität.
Als ich zwischen acht und neun Uhr abends zu ihm ins Zimmer trat (es
war sehr zeremoniös zugegangen, indem ich erst angemeldet worden war),
empfing er mich zunächst erstaunt, auch nicht einmal eigentlich
freundlich; dann aber wurde er sofort heiter und lachte, mich
anblickend, auf einmal laut auf. ›Wie sind Sie denn auf den Einfall
gekommen, mich zu besuchen, Terentjew?‹ rief er mit seiner gewöhnlichen
liebenswürdigen Ungeniertheit, die manchmal etwas Dreistes, aber nie
etwas Verletzendes hatte, die mir an ihm so gefiel, und um derentwillen
ich ihn so haßte. ›Aber was ist das?‹ rief er erschrocken. ›Sie sehen
ja so krank aus!‹
Der Husten quälte mich wieder; ich sank auf einen Stuhl und konnte mich nur mit Mühe wieder erholen.
›Beunruhigen Sie sich nicht; ich habe die Schwindsucht‹, sagte ich. ›Ich komme mit einer Bitte zu Ihnen.‹
Erstaunt setzte er sich hin; ich trug ihm
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