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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Gefallen und hören Sie auf!« sagte Warja.
    »Nur einer Dame zu Gefallen könnte ich es vielleicht tun«, erwiderte
Ippolit lachend und stand auf. »Wenn es Ihnen recht ist, Warwara
Ardalionowna, bin ich Ihnen zuliebe bereit, mich kurz zu fassen, aber
auch nur, mich kurz zu fassen; denn eine gewisse Auseinandersetzung
zwischen mir und Ihrem Bruder ist durchaus notwendig, und ich werde
mich unter keinen Umständen dazu entschließen, beim Fortgehen hier eine
Unklarheit zurückzulassen.«
    »Sie sind ganz einfach eine Klatschschwester!« rief Ganja. »Darum
mögen Sie nicht weggehen, ohne Ihre Klatscherei vorgebracht zu haben!«
    »Sehen Sie wohl«, bemerkte Ippolit kaltblütig, »Sie haben schon
jetzt die Selbstbeherrschung verloren. Wirklich, Sie werden es bereuen,
sich nicht ausgesprochen zu haben. Ich trete Ihnen noch einmal das Wort
ab. Ich werde warten.«
    Gawrila Ardalionowitsch schwieg und machte ein verächtliches Gesicht.
    »Sie wollen es nicht. Sie beabsichtigen, Ihrer Rolle treu zu
bleiben; nun, wie Sie wollen. Meinerseits werde ich möglichst kurz
sein. Ich habe heute zwei-oder dreimal einen Vorwurf in betreff der
genossenen Gastfreundschaft gehört; dieser Vorwurf ist ungerecht. Indem
Sie mich zu sich einluden, warfen Sie selbst Ihr Netz nach mir aus; Sie
spekulierten darauf, daß ich mich an dem Fürsten rächen wolle. Außerdem
hatten Sie gehört, daß Aglaja Iwanowna ihre Teilnahme für mich
ausgesprochen und meine Beichte gelesen habe. Da Sie aus irgendeinem
Grund darauf rechneten, daß ich mich ganz Ihren Interessen widmen
würde, so hofften Sie, vielleicht an mir einen Helfer zu finden. Ich
will mich nicht eingehender darüber aussprechen! Auch von Ihrer Seite
verlange ich weder ein Bekenntnis noch eine Bestätigung; es genügt mir,
Sie Ihrem eigenen Gewissen zu überlassen und festzustellen, daß wir
einander jetzt vortrefflich verstehen.«
    »Aber Sie machen Gott weiß was aus einer ganz gewöhnlichen Sache!« rief Warja.
    »Ich habe dir ja gesagt: er ist eine Klatschschwester und ein unreifer Bube«, sagte Ganja.
    »Wenn Sie erlauben, Warwara Ardalionowna, werde ich fortfahren. Den
Fürsten kann ich natürlich weder lieben noch hochachten; aber er ist
entschieden ein guter Mensch, wenn auch recht lächerlich. Aber ihn zu
hassen, habe ich absolut keinen Grund; ich habe Ihren Bruder von meiner
Gesinnung nichts merken lassen, als er mich gegen den Fürsten
aufzuhetzen suchte; ich rechnete eben darauf, ihn am Schluß der Komödie
auszulachen. Ich wußte im voraus, daß Ihr Bruder mir zuviel mitteilen
und damit einen argen Fehler begehen werde. Und so kam es denn auch ...
Ich bin jetzt bereit, schonend mit ihm zu verfahren, aber einzig und
allein aus Hochachtung gegen Sie, Warwara Ardalionowna. Aber nachdem
ich Ihnen dargelegt habe, daß ich nicht so leicht zu angeln bin, will
ich Ihnen auch auseinandersetzen, warum mich so sehr danach verlangt
hat, Ihren Bruder in seinen eigenen Augen als Dummkopf hinzustellen.
Sie mögen wissen, daß ich das aus Haß tue; das gestehe ich offenherzig.
Dem Tod nah (denn ich werde doch bald sterben, obwohl ich dicker
geworden bin, wie Sie versichern), dem Tod nah, fühlte ich, daß ich
sehr viel ruhiger in das Paradies eingehen würde, wenn ich vorher
wenigstens einen Vertreter jener zahllosen Menschenklasse als Dummkopf
erweisen könnte, die mich mein ganzes Leben lang verfolgt hat, die ich
mein ganzes Leben lang gehaßt habe, und für die Ihr hochgeehrter Bruder
als hervorragendes Musterbeispiel dienen kann. Ich hasse Sie, Gawrila
Ardalionowitsch, einzig deswegen (das kommt Ihnen vielleicht wunderlich
vor), einzig deswegen, weil Sie ein Typus, eine Inkarnation, eine
Verkörperung und der Gipfelpunkt der frechsten, selbstzufriedensten,
gemeinsten, häßlichsten Mittelmäßigkeit sind! Sie sind die aufgeblasene
Mittelmäßigkeit, die Mittelmäßigkeit, die in olympischer Ruhe an sich
nicht zweifelt; Sie sind die allergewöhnlichste Gewöhnlichkeit! Nicht
der kleinsten eigenen Idee ist es beschieden, in Ihrem Geist oder in
Ihrem Herzen jemals zu keimen. Aber Sie sind maßlos neidisch; Sie sind
zwar fest davon überzeugt, daß Sie das größte Genie sind; aber in
düsteren Stunden beschleicht Sie doch manchmal der Zweifel, und dann
ärgern Sie sich und beneiden andere. Oh, es gibt für Sie noch schwarze
Punkte am Horizont; sie werden vergehen, sobald Sie endgültig dumm
geworden sein werden, was nicht mehr fern ist; aber es steht Ihnen doch
noch ein langer,

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