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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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allerdings daran wahr, nur eines: ich bin wirklich nicht gern mit
Erwachsenen, mit Großen zusammen (ich habe das schon längst an mir
beobachtet); ich bin nicht gern mit ihnen zusammen, weil ich sie nicht
verstehe. Was sie auch mit mir sprechen und wie gut sie auch gegen mich
sein mögen, ich fühle mich doch stets in ihrer Gesellschaft bedrückt
und bin heilfroh, wenn ich so bald wie möglich zu meinen Kameraden
gehen kann, und meine Kameraden waren immer die Kinder, aber nicht,
weil ich selbst ein Kind war, sondern weil es mich einfach zu den
Kindern hinzog. Wenn ich, noch am Anfang meines Aufenthalts in dem
Dorf, allein in die Berge gegangen war, um meinem Kummer nachzuhängen,
und wenn ich dann, namentlich mittags, wo sie aus der Schule kamen,
diesem lärmenden Schwarm begegnete, der mit seinen Bücherranzen und
Schiefertafeln schreiend, lachend und spielend einherrannte, dann
strebte auf einmal meine ganze Seele zu diesen Kindern hin. Ich weiß
nicht, wie es kam, aber ich empfand bei jeder Begegnung mit ihnen ein
außerordentlich starkes Gefühl von Glückseligkeit. Ich blieb stehen und
lachte vor Freude, wenn ich sah, wie ihre kleinen, flinken Beinchen in
beständiger Bewegung waren, wie die kleinen Jungen und Mädchen
miteinander dahinrannten, wie sie lachten und weinten (denn viele
hatten auf dem Weg von der Schule nach Haus schon Zeit gefunden, sich
zu prügeln, zu heulen, sich wieder zu versöhnen und weiterzuspielen),
und ich vergaß dann meinen ganzen Kummer. Später, während dieser ganzen
drei Jahre, konnte ich gar nicht begreifen, weshalb die Menschen sich
überhaupt grämen. Mein
ganzes Dasein drehte sich um die Kinder. Ich nahm gar nicht in
Aussicht, das Dorf jemals wieder zu verlassen, und es kam mir nicht in
den Sinn, daß ich einmal wieder hierher nach Rußland fahren würde. Ich
meinte, ich würde immer dort bleiben; aber ich sah schließlich ein, daß
Schneider doch nicht länger die Kosten meines Unterhalts tragen konnte.
Und dann kam eine so wichtige Angelegenheit hinzu, daß Schneider selbst
mich zum Reisen drängte und mir das Fahrgeld zur Reise hierher gab. Ich
will nun sehen, was eigentlich vorliegt, und jemanden um Rat fragen.
Vielleicht wird sich mein äußeres Schicksal vollständig ändern; aber
das ist nicht so wichtig und nicht die Hauptsache. Die Hauptsache ist,
daß sich bereits mein ganzes Leben geändert hat. Ich habe dort viel
verlassen, sehr viel. Alles ist entschwunden. Ich saß im Waggon und
dachte: ›Jetzt gehe ich nun zu den Menschen; ich verstehe vielleicht
noch nichts davon, aber es hat ein neues Leben für mich begonnen.‹ Ich
nahm mir vor, meine Aufgabe redlich und standhaft zu erfüllen. Ich
werde mich im Verkehr mit den Menschen vielleicht unbehaglich und
bedrückt fühlen. Ich habe mir vorgenommen, von vornherein gegen alle
höflich und offen zu sein; mehr wird ja doch niemand von mir verlangen.
Vielleicht werden mich die Leute auch hier für ein Kind halten; nun,
meinetwegen! Es halten mich auch alle, ich weiß nicht warum, für einen
Idioten, und ich war tatsächlich einmal so krank, daß ich damals mit
einem Idioten Ähnlichkeit hatte; aber wie kann ich jetzt ein Idiot
sein, da ich doch selbst begreife, daß man mich für einen Idioten hält?
Wenn ich so in ein Zimmer trete, so denke ich: ›Da halten mich nun die
Leute für einen Idioten, und ich bin doch verständig, aber sie merken
das nicht einmal ...‹ Dieser Gedanke kommt mir oft. Als ich in Berlin
aus meinem Dörfchen ein paar kleine Briefe erhielt, die die Kinder sich
beeilt hatten sogleich an mich zu schreiben, da empfand ich erst so
ganz, wie lieb ich sie hatte. Es ist ein sehr schmerzliches Gefühl,
wenn man den ersten Brief bekommt! Wie betrübt sie waren, als sie mir
bei meiner Abreise das Geleit gaben! Schon einen Monat vorher sagten
sie häufig: ›Léon s'en va, Léon s'en va pour toujours!‹ Wir kamen wie
früher jeden Abend bei dem Wasserfall zusammen und sprachen immer von
unserer bevorstehenden Trennung. Mitunter ging es ebenso heiter zu wie
vorher; aber wenn sie dann von mir Abschied nahmen, um schlafen zu
gehen, umarmten sie mich fest und herzlich, was sie früher nicht getan
hatten. Manche kamen heimlich, ohne daß die andern es merkten, einzeln
zu mir gelaufen, nur um mich ganz allein, nicht vor aller Augen, zu
umarmen und zu küssen. Als es so weit war, daß ich mich auf den Weg
machen mußte, begleitete mich der ganze Schwarm nach der
Eisenbahnstation, die von unserem Dorf ungefähr

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