Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
und Laternen seltsam verschwommen aussehen. Das Sahalhuddin-Gebäude war dunkel, bis auf einige Bürofenster im obersten Stockwerk und das Foyer fünf Stockwerke tiefer, wo hinter der gläsernen Eingangstür gedämpftes Neonlicht brannte und ein gelangweilter Mann hinter einem Schreibtisch saß und Zeitung las. Am Randstein parkten ein kleiner blauer Sedan und eine schwarze Limousine. Vor dem Eingang lümmelten lässig zwei Wachmänner, was bedeutete, daß auf der Rückseite des Gebäudes wahrscheinlich ebenfalls Sicherheitsleute zu finden waren. Es stimmte: ein einzelner Mann hatte dort Posten bezogen. Grau, Schwarz und Rot gingen zu dem Taxi zurück, das etwa zweihundert Meter weiter mit einer Panne liegengeblieben war. Im Fond saß der verwundete Yakov, vorn Ben-Ami mit Emmanuel Weingrass, der im Licht der Armaturenbeleuchtung die Pläne des Gebäudes studierte. Grau gab die Informationen durch ein heruntergelassenes Fenster weiter, tauschte sie gewissermaßen gegen Anweisungen von Yakov ein.
»Ihr beide, Schwarz und Rot, macht die Wachen unschädlich
und seht zu, daß ihr ins Haus kommt. Grau, du folgst mit Ben-Ami, und ihr schneidet die Leitungen der Alarmanlage durch.«
»Halt, halt, Oberpfadfinder«, sagte Weingrass und drehte sich nach hinten um. »Das Mossad-Relikt, das neben mir sitzt, weiß nicht das geringste über Alarmanlagen, außer vielleicht, wie man unfreiwillig Alarm auslöst.«
»Das ist einfach nicht wahr, Manny!« protestierte Ben-Ami.
»Ich gehe mit – und keine Widerrede!« sagte Weingrass.
»Aber Mr. Weingrass«, warnte Yakov, »angenommen, Sie fangen an zu husten – haben einen Ihrer Anfälle?«
»Das wird nicht geschehen«, antwortete Weingrass ruhig. »Ich habe Ihnen gesagt, der Mann dort drinnen ist mein Sohn.«
»Ich glaube ihm«, sagte Grau. »Und ich bin derjenige, der dafür bezahlen muß, wenn ich mich irre.«
»Aber Sie machen ja Fortschritte, Stümper!«
»Würden Sie bitte...«
»Ach, halten Sie den Mund, und gehen wir.«
Hätte es um diese Stunde in der Straße Al-Tidschar einen uninteressierten Beobachter gegeben, wären ihm die nächsten Minuten wie die komplizierten Abläufe eines großen Uhrwerks vorgekommen. Jedes Zahnrad setzte ein anderes in Bewegung, das diese Energie gewissermaßen in Zeit umsetzte, indem es die Zeiger bewegte, und nie geriet ein Rädchen aus dem Takt oder brachte Unordnung in den Mechanismus.
Rot und Schwarz »entfernten« die beiden Sicherheitsleute, ehe sie auch nur ahnten, daß sich ihnen jemand in feindlicher Absicht genähert hatte. Rot zog seine Jacke aus, zwängte sich in die Uniformjacke eines Postens, knöpfte sie zu, setzte die Schildmütze auf, zog sie sich tief in die Stirn, lief schnell zum Haupteingang des Gebäudes zurück, klopfte, die linke Hand auf sein Hinterteil gepreßt, leise an die Glastür und gab dem Pförtner auf humorvolle Weise zu verstehen, er solle ihn hineinlassen, da er ein menschliches Rühren verspüre. Ist man in solchen Nöten, stößt man weltweit auf Verständnis. Der Pförtner lachte, ließ die Zeitung sinken und drückte auf einen Knopf. Der Summer ertönte, Rot und Schwarz stürmten hinein, und ehe der Pförtner begriff, welchen Fehler er begangen hatte, lag er bewußtlos auf dem Marmorboden. Grau kam, die schlaffe Gestalt eines Postens hinter sich herzerrend, als nächster, und als letzter
folgte Emmanuel Weingrass, der in die Jacke geschlüpft war, die Rot ausgezogen hatte. Wie auf ein Stichwort lief Schwarz wieder hinaus und holte den zweiten Posten herein, während Weingrass die Tür für ihn offenhielt. Sobald sie alle im Haus waren, fesselten und knebelten Rot und Grau die Sicherheitsleute hinter dem großen Empfangspult, während Schwarz eine Injektionsspritze aus der Tasche nahm, die Plastikhülle entfernte, die Luft herausdrückte und jedem Araber eine Dosis eines Betäubungsmittels zwischen die letzten Nackenwirbel injizierte. Dann schleiften die drei Masada-Leute die drei regungslosen Angestellten des Sahalhuddin in die entfernteste Ecke der riesigen Halle.
»Bleiben Sie nicht im Licht stehen, gehen Sie nach hinten zu den Fahrstühlen!« sagte Rot hastig zu Weingrass.
»Was?«
»Ich höre draußen etwas.«
»Tatsächlich?«
»Zwei oder drei Leute vielleicht. Schnell!«
Stille. Dann wankten, leise vor sich hin singend, auf der Straße zwei offensichtlich betrunkene Amerikaner an der dicken Glastür vorbei. »To the tables down at Mory’s, to the place we love so well ...«, sangen
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