Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
ausgemergelte Mann zitterte am ganzen Körper, als er, tief Atem holend, den Schwarzen anstarrte. »Gut, handeln
wir«, sagte er gepreßt. »Aber ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen, daß ich dich mit einer ganzen Söldnerarmee hetzen werde, wenn du jetzt mit gezinkten Karten spielst.«
»Sie hatten schon immer viel Sinn für Dramatik, Jude, nicht wahr?« Der Mahdi sah auf seine Uhr. »Wir haben Zeit. Wie auf solchen Flügen üblich, gibt es, sobald die Maschine in der Luft ist, keinen Funkkontakt mehr mit dem Boden. Gestartet wird bei Tagesanbruch. Sobald ich das Gebäude verlassen habe, rufe ich an. Die Maschine wird nicht starten, aber Sie und Ihre kleine Armee unbekannter Soldaten werden verschwinden.«
»Wag es ja nicht, mich austricksen zu wollen. Der Handel gilt.«
»O nein!« Grau riß sein Messer heraus, warf sich auf den Mahdi, packte ihn bei der Aba und preßte ihn mit dem Rükken auf den Schreibtisch. »Es gibt keine Vereinbarung, keinen Handel, keine Verhandlungen! Im Moment geht es nur um dein Leben!« Grau stieß dem Mann aus Chicago die Messerspitze unter dem linken Auge ins Fleisch. Der Mahdi schrie, als ihm das Blut die Wange hinunter und in den Mund lief. »Ruf sofort an, oder du verlierst zuerst dieses und dann das andere Auge. Danach wird es ziemlich egal sein, wo ich mein Messer ansetze. Du wirst es nicht mehr sehen.« Grau griff nach dem Telefon und knallte es direkt neben dem blutenden Kopf auf den Schreibtisch. »Gib mir die Nummer. Ich wähle für dich – nur um ganz sicherzugehen, daß es ein Flugplatz ist. Die Nummer – los!«
»Nein, nein, ich kann nicht!«
»Dann steche ich zu.«
»Nein, halt! Es gibt keinen Flugplatz, keine Maschine.«
»Lügner!«
»Nicht jetzt. Später.«
»Jetzt verlierst du das linke Auge, Lügner!«
»Er ist hier! Mein Gott, hör auf! Er ist hier!«
»Wo?« schrie Weingrass.
»Im Westflügel... Draußen – rechts – eine Treppe. Er sitzt in einem kleinen Lagerraum unterm Dach...«
Emmanuel Weingrass hörte nicht mehr. Er rannte hinaus und rief, so laut er nur konnte: »Evan! Evan...«
Das muß eine Halluzination sein, dachte Kendrick. Jemand aus seiner Vergangenheit, jemand, den er liebte, rief seinen Namen, flößte ihm Mut ein. Das ist wohl das einzige Privileg, das ein Verdammter genießt, dachte er. Auf der Pritsche sitzend, blickte er zum Fenster hinauf. Der Mond war fast nicht mehr zu sehen, sein Licht wurde schwächer. Bald gab es für ihn nur noch Dunkelheit.
»Evan! Evan!«
Das sah Manny ähnlich. Er war immer dagewesen, wenn Kendrick ihn gebraucht hatte. Und jetzt, so kurz vor dem Ende, war er auch da und schenkte ihm Trost. OGott, Manny, ich hoffe nur, du erfährst es irgendwie, daß ich zurückgekommen bin. Daß ich endlich auf dich gehört habe. Ich habe ihn gefunden, Manny. Und nach mir werden ihn andere finden, das weiß ich. Bitte sei ein bißchen stolz auf mich...
»Gottverdammt, Kendrick! Wo, zum Teufel, steckst du?«
Diese Stimme war keine Halluzination. Und auch die lauten Schritte auf der Treppe waren Wirklichkeit. Und andere Schritte. War er am Ende schon tot? »Manny – Manny!« schrie er.
»Hier ist es! Hier ist das Zimmer! Spreng die Tür, Muskelprotz!«
Die Tür der kleinen Zelle sprang mit einem ohrenbetäubenden Knall auf.
»Gottverdammt, Junge!« rief Emmanuel Weingrass, als Kendrick sich schwankend von der Pritsche erhob. »Benimmt sich so ein respektabler Kongreßabgeordneter? Ich dachte, ich hätte dir bessere Manieren beigebracht.«
Mit Tränen in den Augen umarmten sich Vater und Sohn.
Sie saßen alle in Hassans Wohnzimmer. Ben-Ami beanspruchte das Telefon für sich allein, seit Emmanuel Weingrass nach einem langen und lebhaften Gespräch mit Sultan Achmad in Maskat aufgelegt hatte. Drei Meter entfernt saßen sieben Vertreter der Regierungen von Bahrein, Oman, Frankreich, Großbritannien, der Bundesrepublik, Israels und der PLO um den großen Eßtisch herum. Man war übereingekommen, keinen Vertreter Washingtons dazuzubitten, aber von Amerikas geheimem Interesse an einem gewissen Kongreßabgeordneten war nichts zu befürchten.
Emmanuel Weingrass saß auch am Tisch, zwischen dem Israeli und dem Vertreter der PLO.
Kendricks Nachbar war der verwundete Yakov, beide saßen in bequemen Sesseln, ein Entgegenkommen für die beiden, die die größten Schmerzen hatten. »Ich habe über das nachgedacht, was Sie mir im Aradus gesagt haben«, wandte Yakov sich an Kendrick.
»Das ist alles, worum ich
Weitere Kostenlose Bücher