Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
irre, junger Mann, doch wenn ich mich recht erinnere, habe ich vergangenes Jahr in der Washington Post einen Artikel gelesen, in dem behauptet wurde, ein unbekannter Amerikaner sei damals in Maskat im Einsatz gewesen. Man vermutete, es habe sich um den Texaner Ross Perot gehandelt, doch man hörte nie wieder von der Geschichte. Sie wurde fallengelassen.«
»Sie irren sich nicht, Sir. Dieser Amerikaner war Evan Kendrick, doch das Weiße Haus hat die Zeitung unter Druck gesetzt, und da war die Story natürlich gestorben.«
»Warum? Er hätte ein riesiges politisches Kapital daraus schlagen
können – falls er tatsächlich zur Bereinigung der Angelegenheit beigetragen hatte.«
»Er hat nicht nur dazu beigetragen, er hat sie bereinigt.«
»Dann begreife ich einiges nicht«, sagte Logan und sah Samuel Winters an.
»Das tut niemand«, antwortete der Historiker. »Es gibt keine Erklärung, nur eine im Archiv vergrabene Akte, in die Milos sich Einsicht verschaffen konnte. Außer diesem Dokument existiert nichts, das auf eine Verbindung zwischen Kendrick und den Ereignissen in Maskat schließen läßt.«
»Es gibt nicht einmal ein Memo, in dem eine solche Verbindung geleugnet wird«, unterbrach Varak. »Das wirft kein gutes Licht auf den Kongreßabgeordneten. Es läßt die Schlußfolgerung zu, daß er ein Opportunist ist, der in eigenem Interesse handelt, ein Politiker, der aus dem Geiseldrama Kapital schlagen wollte, weil er früher in den Vereinigten Arabischen Emiraten und vor allem in Oman gearbeitet hatte, und den es jetzt nach Publicity gelüstete. Es wurde empfohlen, ihn gewähren zu lassen, um die Sicherheit der Geiseln nicht zu gefährden.«
»Aber man ließ ihn offensichtlich nicht nur gewähren!« rief Sundstrom. »Man hat ihn eingesetzt und benutzt. Er wäre nicht einmal ins Land hineingekommen, wenn sie ihn nicht hineingeschleust hätten. Der gesamte Flugverkehr war eingestellt. Guter Gott, er kann nicht offiziell eingereist sein, das steht fest.«
»Es steht ebenso fest, daß er kein nur eigenen Interessen dienender Opportunist ist«, fügte Margaret Lowell hinzu. »Wir sehen ihn hier vor uns, und Milos sagt, er habe wesentlich dazu beigetragen, die Krise zu beenden, doch er hat nie ein Wort über seine Beteiligung verloren. Denn hätte er etwas gesagt, wüßten wir es.«
»Und es gibt keine Erklärung?« wandte sich Gideon Logan an Varak.
»Keine einleuchtende, Sir, und ich bin bis an die Quelle vorgedrungen.«
»Das Weiße Haus?«
»Nein, der Mann, der Bescheid wissen mußte, derjenige, der das Nervenzentrum hier in Washington leitete: Frank Swann.«
»Wie haben Sie ihn aufgestöbert?«
»Das hab’ ich gar nicht. Kendrick hat’s getan.«
»Aber wie haben Sie Kendrick gefunden?«
»Wie Mr. Logan habe auch ich mich an die Story über einen Amerikaner in Maskat erinnert, die von den Medien so schnell fallengelassen wurde. Aus irgendeinem Grund, den ich nicht einmal erklären kann, beschloß ich, dieser Story nachzugehen.« Um Varaks Lippen spielte ein leichtes, an ihm ungewohntes Lächeln. »Zuweilen sind es die simpelsten Sicherheitsmaßnahmen, die jenen einen Streich spielen, denen sie dienen sollen. In diesem Fall war es das ›Gästebuch‹, in das sich alle Besucher des Außenministeriums eintragen müssen. Seit den Morden vor ein paar Jahren müssen sich alle Besucher ohne Ausnahme ein- und wieder austragen. Unter den Tausenden, die sich während der Geiselnahme verewigt hatten, entdeckte ich den Namen eines frischgebackenen Kongreßabgeordneten aus Colorado, der gekommen war, um einen Mr. Swann aufzusuchen. Damals hatten beide Namen noch keinerlei Bedeutung für mich, doch unsere Computer waren besser informiert. Mr. Swann war der unangefochten kundigste Experte des Außenministeriums für Vorderasien, und der Kongreßabgeordnete hatte sein Vermögen in den Emiraten, in Bahrein und Saudi-Arabien verdient. In der Aufregung, die während der Maskat-Krise allenthalben herrschte, hatte jemand vergessen, Kendricks Namen aus dem Buch zu entfernen.«
»Also sind Sie zu diesem Mr. Swann gegangen«, sagte Mandel, seine Nickelbrille absetzend.
»Das bin ich, Sir.«
»Was hat er Ihnen gesagt?«
»Daß ich völlig auf dem Holzweg sei. Sie hätten Kendricks Hilfsangebot abgelehnt, weil er nichts Konkretes zu bieten gehabt habe. Er setzte hinzu, Kendrick sei nur einer von etwa einem Dutzend gewesen – alles Leute, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten gearbeitet hatten und mit ähnlichen
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