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Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan

Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan

Titel: Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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»Wahrscheinlich nur jemand, der eine Panne hat, oder ein Wanderer, der vom Weg abgekommen ist. Doch es ist wohl besser, mal nachzusehen, denken Sie nicht?«
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll, aber ich werde Sie auf keinen Fall aussteigen lassen.«
    »O doch, Sie werden«, widersprach Weingrass und hob ganz beiläufig die Pistole, als betrachte er den Abzug. Die Geste hatte überhaupt nichts Drohendes.
    »Guter Gott!« schrie die Schwester.
    »Mir passiert ganz bestimmt nichts, meine Liebe. Ich bin nämlich so vorsichtig, daß es an Feigheit grenzt. Halten Sie hier bitte.« Fast in Panik, tat die Schwester wie geheißen, und ihr erschrockener Blick irrte zwischen der Waffe und dem Gesicht des alten Mannes hin und her. »Danke«, sagte Weingrass und öffnete die Tür, die ihm vom aufheulenden Wind fast aus der
Hand gerissen wurde. »Wahrscheinlich finde ich einen völlig harmlosen Besuch im Haus, der mit den beiden Mädchen Kaffee trinkt.« Er stieg aus und brauchte seine ganze Kraft, um die Tür zuzudrücken. Mit quietschenden Reifen raste der Saab davon. Macht nichts, dachte Weingrass, der Wind schluckt jedes Geräusch.
    Er schluckte auch die Geräusche, die Weingrass auf dem Rückweg zum Haus machte, unvermeidbare Geräusche, da er sich am Straßenrand halten mußte, um in Deckung zu bleiben, und die getrockneten Äste am Waldrand unter seinen Füßen knackten und brachen. Er war für die über den Himmel jagenden dunklen Wolken ebenso dankbar wie für seinen dunklen Mantel, beides verringerte die Gefahr, daß er gesehen wurde, auf ein Minimum. Fünf Minuten später stand er, nachdem er ein paar Meter tiefer in den Wald eingedrungen war, dem dichten Heckenzaun direkt gegenüber hinter einem dicken Baum. Wieder schützte er das Gesicht mit der Hand vor dem Wind, kniff die Augen zusammen und spähte über die Straße.
    Da waren sie. Und sie hatten sich nicht verlaufen. Was ihn beunruhigt hatte, war kein Hirngespinst gewesen. Nein, die beiden, die dort lauerten, waren keine Wanderer, die sich verirrt hatten; sie warteten auf irgend etwas oder auf irgend jemand. Beide Männer trugen Lederjacken, kauerten vor der Hecke und redeten sehr schnell aufeinander ein; der Mann auf der rechten Seite schaute alle paar Sekunden auf seine Armbanduhr. Was das bedeutete, brauchte Weingrass niemand zu sagen. Körperlich, aber nicht geistig sein Alter fühlend, ließ er sich schwerfällig auf alle viere nieder und begann umherzukriechen. Er war nicht sicher, was er suchte, wußte jedoch, daß er es finden mußte, was es auch sein mochte.
    Es war ein dicker, schwerer Ast, den der Wind vor ganz kurzer Zeit abgebrochen haben mußte, da noch Saft aus der Bruchstelle sickerte. Er war ungefähr einen Meter lang und ließ sich gut schwingen. Langsam, noch schwerfälliger und schmerzgeplagt, erhob sich der alte Mann und ging zu dem Baum zurück, bei dem er vorher gestanden hatte, schräg gegenüber von den beiden Eindringlingen, die nicht mehr als fünfzehn Meter entfernt waren.
    Es war ein Glücksspiel, aber wieviel war denn noch von seinem Leben übrig, und die Chancen standen besser als beim
Roulette oder chemin de fer . Auch über Gewinn oder Verlust würde schneller entschieden werden, und der Spieler Emmanuel Weingrass war bereit, eine nicht unbeträchtliche Wette einzugehen, daß einer der beiden Eindringlinge seinen Platz nicht verlassen würde. Weingrass zog sich tiefer in den Wald zurück und wählte seinen Platz so sorgfältig aus, als feile er an einem Bauplan für den wichtigsten Klienten seines Lebens. Nutz die natürlichen Gegebenheiten deiner Umgebung optimal aus, war einer der wichtigsten Grundsätze seines ganzen beruflichen Lebens gewesen; und von dieser Regel wich er auch jetzt nicht ab.
    Zwei Pappeln, beide breit und etwa zwei Meter voneinander entfernt auf gleicher Höhe stehend, bildeten so etwas wie ein Eingangstor zum Wald. Weingrass versteckte sich hinter dem rechten Stamm, packte den schweren Ast und hob ihn hoch über seinen Kopf, bis das obere Ende an den Baumstamm stieß. Der Wind ließ die Bäume schwanken, und Weingrass öffnete den Mund und stieß, die Vielzahl der Geräusche des Waldes übertönend, eine kurze Lautfolge aus, die zu einem Drittel menschlich und zu zwei Dritteln wie der langgezogene Schrei eines Tieres klang.
    Zwischen den beiden Stämmen und durch das tiefer hängende Laub hindurch sah er, wie die beiden Gestalten auf der anderen Straßenseite erschraken. Sie fuhren herum, der Mann zur

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