Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
verängstigt, und haben gesagt, ich soll die Polizei verständigen.«
»Das hast du eben getan, Annie. Sag ihnen, sie sollen bleiben, wo sie sind. Sie dürfen nichts anfassen, nichts verändern und nichts sagen, bevor ich da bin. Verstanden?«
»Gar nichts sagen?«
»Es ist eine Art Quarantäne, ich erklär’s dir später. Jetzt ruf die C-Security an und sag ihnen, sie sollen fünf bewaffnete Männer vor eurer Bürotür postieren. Sag, dein Mann sei Polizeibeamter und er habe um die Wachen gebeten, weil er bedroht wurde. Hast du das richtig verstanden?«
»Ja, Paddy«, antwortete Ann O’Reilly weinend. »O mein Gott, er ist tot!«
Patrick O’Reilly fuhr auf seinem Sitz herum. Payton rannte wie von Furien gehetzt zu seinem Wagen.
28
Es war vier Uhr siebzehn in Colorado, und Emmanuel Weingrass war mit seiner Geduld am Ende. Heute morgen kurz vor elf war es fast schon einmal soweit gewesen, als er entdeckt hatte, daß das Telefon nicht funktionierte, und erfuhr, daß zwei seiner Krankenschwestern es bereits seit mehreren Stunden wußten, nachdem sie vergeblich versucht hatten zu telefonieren. Eines der Mädchen war nach Mesa Verde gefahren, um den Störungsdienst
anzurufen, und war mit der Zusage zurückgekommen, daß der Schaden so schnell wie möglich behoben würde. >So schnell wie möglich‹ dauerte jetzt über fünf Stunden, und das wollte Weingrass nicht so ohne weiteres hinnehmen. Ein bekannter Kongreßabgeordneter – ganz zu schweigen vom Helden der Nation – verdiente eine bessere Behandlung.
»Entweder fährt mich jetzt eine von euch nach Mesa Verde, damit ich den Präsidenten dieser Scheißtelefongesellschaft anrufen und ihm den Arsch aufreißen kann, oder ich pisse euch die ganze Küche voll«, fauchte er die Schwestern an, von denen zwei in der Glasveranda Gin Rummy spielten.
»Vorher stecken wir Sie aber in eine Zwangsjacke, Manny«, antwortete eines der Mädchen.
»Warte einen Moment«, wandte ihre Kartenpartnerin ein. »Er kann den Kongreßabgeordneten anrufen, und der könnte wirklich ein bißchen Druck ausüben. Ich muß unbedingt mit Frank telefonieren. Er will morgen herkommen – das hab’ ich dir ja erzählt -, und ich konnte in dem Hotel in Cortez noch kein Zimmer reservieren lassen.«
»Ich bin dafür«, sagte die dritte Schwester, die im Wohnzimmer Zeitung las. »Er kann von Abe Hawkins’ Kramladen aus anrufen.«
»Lieber vom Cafe«, widersprach Weingrass. »Einem, der Abraham heißt, trau’ ich nicht übern Weg. Er hat wahrscheinlich Waffen an den Ayatollah verkauft und vergessen, Profit zu machen. Ich hole mir nur einen Pulli und eine Jacke.«
»Ich fahre Sie«, sagte die Schwester im Wohnzimmer, ließ die Zeitung neben ihren Sessel fallen und stand auf. »Ziehen Sie einen Mantel an, Manny, es ist kalt, und aus den Bergen weht ein scharfer Wind.«
Weingrass bedachte sie mit einem nicht sehr freundlichen Namen, als er an ihr vorbei und in sein Schlafzimmer ging, das in der ersten Etage des Südflügels lag. Sobald er im Flur und außer Sicht war, ging er schneller, denn er wollte außer einem Pullover noch etwas anderes holen. In dem geräumigen Zimmer, das er umgestaltet und mit einer Glasschiebetür an der Südwand versehen hatte, die sich auf eine Terrasse öffnete, ging er, einen Stuhl hinter sich herziehend, zur Aufsatzkommode. Sich vorsichtig festhaltend, kletterte er auf den Stuhl und holte von dem geschnörkelten Aufsatz des imposanten Möbelstücks eine
Schuhschachtel herunter. Mühsam stieg er wieder vom Stuhl, trug die Schachtel zum Bett und machte sie auf. Sie enthielt eine Neun-Millimeter-Pistole und drei Magazine.
Weingrass hatte die Waffe verstecken müssen, denn Kendrick hatte Anweisung gegeben, die Gewehre zu entladen und den Waffenschrank abzuschließen. Er duldete keine Handfeuerwaffen im Haus. Der Grund war zu schmerzlich gewesen, um darüber zu sprechen: Kendrick befürchtete, sein Freund würde Selbstmord begehen, wenn er glaubte, daß sein Krebsleiden von neuem ausgebrochen war. Doch für Emmanuel Weingrass war es nach dem Leben, das er geführt hatte, einfach unmöglich, ohne Waffe zu leben. Ge-Ge Gonzalez hatte dem Mangel abgeholfen, und Weingrass hatte die Scheiben des Waffenschranks bisher nur einmal eingeschlagen – als die Medien wie ein Heuschreckenschwarm über sie hereingebrochen waren und den ganzen Park in eine öffentliche Bedürfnisanstalt verwandelt hatten.
Er schob ein Magazin in den Griff, steckte die beiden anderen ein und trug
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