Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
seines Krankenhausaufenthalts verstrichen waren, erschien ein Laborarzt und konferierte leise mit einem Kollegen. Dann wurde es um das Krankenbett herum ziemlich lebhaft, und Kendrick wurde gebeten, das Zimmer zu verlassen, während man Weingrass mehrere Blut- und einige winzige Gewebeproben entnahm. Eine Stunde später kam der Chef der Pathologie, ein dünner Mann mit inquisitorischem Blick, zu Kendrick ins Wartezimmer.
»War Mr. Weingrass kürzlich im Ausland, Herr Abgeordneter?« fragte er.
»Nein, seit einem Jahr nicht mehr.«
»Und wo war er da?«
»In Frankreich und in Vorderasien.«
Der Doktor zog die Brauen hoch. »Ich bin ziemlich schwach in Geographie. Was heißt Vorderasien?«
»Müssen Sie das wissen?«
»Ja, ich muß.«
»Na schön – Oman, Bahrein.«
»Er war mit Ihnen dort? Entschuldigen Sie, aber was Sie dort geleistet haben, ist ja inzwischen allgemein bekannt.«
»Er war mit mir zusammen«, antwortete Kendrick. »Er gehört zu den Leuten, bei denen ich mich nicht öffentlich bedanken konnte, weil es ihnen schaden würde.«
»Ich verstehe. Wir haben hier kein Pressebüro.«
»Vielen Dank. Warum fragen Sie?«
»Wenn ich mich nicht sehr irre, hat er eine – nennen wir es Virusinfektion, die meines Wissens nur in Zentralafrika vorkommt.«
»Das kann nicht sein.«
»Dann irre ich mich vielleicht. Unsere Laborausstattung gehört zwar zum Allerbesten, was es auf diesem Gebiet gibt, aber es gibt noch bessere. Ich lasse Lungengewebe und Blutproben ins CDC nach Atlanta schicken.«
»Wohin?«
»Ins Center for Disease Control – ein Institut zur Erforschung von Tropenkrankheiten und Seuchen.«
»Seuchen?«
»Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, Mr. Kendrick.«
»Lassen Sie die Proben noch heute abend hinüberfliegen. In einer Stunde steht auf dem Stapleton Airport ein Jet bereit. Sagen Sie Atlanta, sie sollen sofort an die Arbeit gehen – egal, was es kostet, und wenn sie rund um die Uhr im Institut bleiben müßten.«
»Ich will tun, was ich kann.«
»Wenn es was nützen würde«, sagte Kendrick, selbst nicht sicher, ob er nunbluffte oder nicht, »ließe ich das Weiße Haus dort anrufen.«
»Das wird wohl nicht nötig sein«, sagte der Pathologe.
Als Kendrick das Krankenhaus verließ, nachdem er dem unter starken Beruhigungsmitteln stehenden Manny Weingrass gute Nacht gewünscht hatte, fiel ihm der verschwundene Dr. Lyons aus Mesa Verde ein, der Arzt ohne Adresse und ohne Telefon, aber mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der Regierung, die er einem Kongreßabgeordneten oder seinem Personal präsentieren konnte. Was für eine Unbedenklichkeitsbescheinigung? Und wozu war sie überhaupt nötig gewesen? Oder hatte das eindrucksvolle Dokument nur dazu dienen sollen, sich in die private Welt eines gewissen Evan Kendrick einzuschleichen? Er beschloß, mit niemand darüber zu sprechen. Kalaila würde besser wissen, was zu tun war.
Als er sich dem Brown Palace Hotel näherte, sah er plötzlich durch den fallenden Schnee die bunten Lichter der Weihnachtsdekorationen, die von dem alten klassischen Bauwerk über die breite Prachtstraße zum neuen Südturm reichten. Schmückt die Säle mit Mistelzweigen, fa-la-la-la-la... La-la-la-la. Die Hinterlassenschaft von Maskat wünscht fröhliche Weihnachten, dachte er.
»Wo, zum Teufel, bist du gewesen!« schrie MJ Payton so laut ins Telefon, daß Kalaila erschrocken den Hörer weit vom Ohr hielt.
»Ich war beim Abendessen.«
»Er ist dort! Unser blonder Europäer ist in deinem Hotel.«
»Ich weiß. Ich hab’ mit ihm gegessen.«
»Du hast was?«
»Er ist jetzt sogar in meinem Zimmer. Wir sprechen alles durch, was er weiß. Er ist nicht, was wir dachten.«
»Verdammt, Adrienne! Sag diesem Mistkerl, Mr. B möchte mit Mr. A sprechen.«
»Gütiger Himmel, du warst derjenige?«
»Mach, mach, Adrienne, hol ihn an den Apparat.««
»Ich bin nicht sicher, ob er einverstanden ist.« Wieder hielt Kalaila den Telefonhörer vom Ohr weg. Sie drehte sich zu Varak um. »Ein Mr. B möchte Mr. A sprechen.«
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte Varak, stand aus dem Sessel auf und nahm den Telefonhörer, den Kalaila ihm reichte. »Noch einmal guten Tag, Mr. B. Es hat sich nichts geändert. Keine Namen, keine Identitäten.«
»Wie nennt meine Nichte Sie? Die Dame ist sie nämlich – meine Nichte.«
»Sie nennt mich Milos – ein Falschname übrigens.«
»Milos? Sind Sie Slawe?«
»Amerikaner, Sir.«
»Ach ja, das haben Sie mir schon
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