Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
gekommen, plötzlich jedoch fuhr er herum und schaute neugierig auf den Gehsteig hinaus. Die Geräusche auf der Straße schwollen an. Ein Mann schrie, andere brüllten, und die Mauern warfen ihre schrillen Stimmen zurück. »AI-Hahunai!« » Addam! «
Und dann aus dem Chor der Empörung herausbrechend, die Stimme einer Frau. »Siboni fihali!« rief sie außer sich. »Laßt mich in Ruhe!« Und dann auf englisch: »Ihr Bastarde!«
Kendrick und der Posten stürzten aus der Tornische. Im nächsten Moment peitschten zwei Schüsse durch die Dunkelheit, und das Schreien der Männer steigerte sich zum Gekreisch, während das unheilvoll klingende Winseln der beiden Querschläger verhallte. Der Araber wirbelte herum und warf sich in der Tornische auf den harten Stein. Kendrick kauerte sich zusammen und blieb, wo er war. Er mußte wissen, was vorging. Drei Gestalten in wallenden Gewändern liefen, von einem jungen Mann und einer Frau in schlampiger westlicher Kleidung begleitet, an der Tornische vorbei. Der Mann, der eine zerrissene Khakihose trug, umklammerte seinen blutenden Arm. Kendrick stand auf und spähte ums Eck.
In den Schatten der schmalen Gasse stand eine barhäuptige Frau, in der linken Hand ein Messer mit kurzer Klinge, in der rechten eine Pistole. Langsam trat Kendrick aus der Tornische. Sein Blick traf sich mit dem der Frau, und sie hob die Pistole. Kendrick hatte das Gefühl zu erstarren und versuchte verzweifelt, sich zu überlegen, was er tun sollte und wann er es tun mußte, denn wenn er sich jetzt zu schnell bewegte, würde sie schießen. Sie begann sich jedoch zu seinem Erstaunen in den Schatten zurückzuziehen, zielte dabei aber noch auf ihn. Dann näherten sich erregte Stimmen, unterbrochen von einem durchdringend gellenden Pfeifen; die Frau machte kehrt und rannte die dunkle Straße hinunter. Nach ein paar Sekunden war sie nicht mehr zu sehen. Sie ist mir gefolgt, dachte Kendrick. Um mich zu töten? Warum? Wer ist sie?
»Hierher!« rief der Posten flüsternd, mit Panik in der Stimme. Kendrick wirbelte herum. Der Araber gestikulierte wild und gab ihm zu verstehen, er solle zu ihm ans Tor kommen. »Schnell, Herr! Sie dürfen ins Haus. Beeilen Sie sich! Man darf Sie hier nicht sehen.«
Das Tor schwang auf, Kendrick betrat das Haus und wurde im nächsten Moment von der kräftigen Hand eines sehr kleinen Mannes nach links gezogen. »Verschwinde!« rief der kleine Mann dem Posten in der Tornische zu. »Aber schnell!« Dann warf der winzige Araber das Tor zu und sicherte es mit zwei Eisenriegeln. Kendrick kniff in dem schwachen Licht die Augen
zusammen. Sie standen in einem breiten, schäbigen Korridor mit mehreren geschlossenen Türen zu beiden Seiten. Kleine Perserteppiche bedeckten den unebenen Fußboden – Teppiche, dachte Kendrick, die bei jeder Auktion im Westen hohe Preise erzielen würden. An den Wänden hingen noch mehr Teppiche, größere Teppiche, für die man, wie Kendrick wußte, jeweils ein kleines Vermögen bekäme. Dieser El-Bas legte sein Geld in überaus kostbaren Teppichen an. Alle, die davon etwas verstanden, würden vor Stolz schwellen, weil sie es mit einem so bedeutenden Mann zu tun hatten. Die anderen, vor allem die Polizei und andere Gesetzeshüter, würden zweifellos denken, daß dieser Heimlichtuer seine Wände und Fußböden mit Teppichen verdeckte, um die Schäden am Haus nicht reparieren zu müssen.
»Ich bin El-Bas«, sagte der kleine, leicht gebeugt gehende Araber auf englisch und reichte Kendrick eine große, von blauen Adern durchzogene Hand. »Sie sind für mich der, als der Sie sich vorstellen, und ich bin entzückt, Sie kennenzulernen – am liebsten nicht unter dem Namen, den Ihre hochgeehrten Eltern Ihnen gaben. Kommen Sie bitte mit. Die zweite Tür rechts bitte. Es ist unsere erste und wichtigste Prozedur. Um die Wahrheit zu sagen, alles übrige ist schon fertig.«
»Fertig?« fragte Kendrick. »Was ist fertig?«
»Die grundlegenden Dinge«, antwortete El-Bas. »Die Papiere werden nach den Informationen ausgestellt, die wir bekommen haben.«
»Was für Informationen?«
»Wer Sie möglicherweise sind; was Sie möglicherweise sind; und woher Sie möglicherweise kommen. Mehr habe ich nicht gebraucht.«
»Von wem haben Sie die Informationen bekommen?«
»Keine Ahnung«, antwortete der alte Araber. Er berührte Kendricks Arm und gab ihm zu verstehen, er solle weitergehen. »Eine unbekannte Person hat sie mir telefonisch durchgegeben. Woher weiß ich nicht. Da sie
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