Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
lungern meist bei der Tür herum, wo die stärksten Mikros versteckt sind, und machen einen Höllenlärm. Die Decke ist zu hoch, da ist kein vernünftiger Empfang mehr möglich, und die übrigen Wanzen zieren die Spülkästen in den Toiletten, die Achmad vor ein paar Jahren anstelle der Löcher im Fußboden einbauen ließ. Aber alle Wanzen haben sich bisher als nutzlos erwiesen. Das wenige, das wir zu hören bekommen, ist nicht erfreulich. Wie alle Extremisten möchten die Burschen sich ständig gegenseitig übertrumpfen, jeder will der fanatischste und der brutalste gewesen sein, und da immer wieder neue dazukommen, kennen sich viele gar nicht. Folglich sind die Fragen, die sie sich gegenseitig stellen, sehr gezielt und ihre Verhörmethoden untereinander oft nicht gerade zimperlich. Es sind Fanatiker, aber keine Narren im üblichen Sinn, ya schaikh . Auf der Hut sein ist ihr Credo. Infiltrierung eine ständige Bedrohung für sie.«
»Dann soll sie mein Credo sein.« Kendrick griff nach der Häftlingskleidung, die für ihn bereitlag. »Ich werde ebenso auf der Hut und mindestens so fanatisch sein wie der größte Fanatiker unter ihnen.« Er wandte sich dem Arzt zu. »Ich brauche die Namen der Anführer in der Botschaft. Man hat mir zwar Instruktionen gegeben, aber ich durfte mir keine Notizen machen. Zwei Namen habe ich mir allerdings gemerkt, weil sie immer wieder vorkamen. Einer lautete Abu Nassir, der andere Abbas Sahir. Können Sie mir noch ein paar nennen?«
»Nassir wurde schon über eine Woche nicht mehr gesehen. Sie glauben, er sei nicht mehr hier, und Sahir betrachteten sie nicht als Anführer, er ist nur ein Aushängeschild. Die Prominenteste scheint seit kurzem eine Frau zu sein – Saja Jatim. Sie
spricht fließend Englisch und liest die Bulletins, die im Fernse- hen gesendet werden.«
»Wie sieht sie aus?«
»Das weiß keiner. Sie trägt den Schleier.«
»Sonst noch jemand?«
»Ein junger Mann, der gewöhnlich hinter ihr steht. Er scheint ihr Freund zu sein und trägt eine russische Waffe – was für eine, weiß ich nicht, ich kenne mich da nicht aus.«
»Wie heißt er?«
»Er wird ganz einfach Asra genannt.«
»Blau? Die Farbe Blau?«
»Ja. Und da wir bei Farben sind, da ist noch ein anderer Mann mit vorzeitig ergrauendem Haar – was bei uns sehr ungewöhnlich ist. Sie nennen ihn Abjad.«
»Weiß«, sagte Kendrick.
»Ja. Er wurde als einer der Entführer der TWA-Maschine in Beirut identifiziert. Aber nur nach Fotos, den Namen konnten wir nicht erfahren.«
»Nassir und die Frau namens Jatim, Blau und Weiß. Das dürfte genügen.«
»Wofür?« fragte der Doktor.
»Für das, was ich vorhabe.«
»Überlegen Sie es sich gut«, sagte der Doktor leise. »Achmad ist hin und her gerissen, denn möglicherweise erfahren wir durch Ihr Opfer eine Menge – aber Sie müssen sich klarmachen, daß es buchstäblich Ihr Opfer sein könnte. Er möchte, daß Sie sich darüber im klaren sind.«
»Ich bin kein Narr.« Kendrick schlüpfte in das graue Gefängnishemd, zog die weite, schlotternde Hose und dann die harten Sandalen an, die in arabischen Gefängnissen allgemein getragen werden. »Wenn ich mich bedroht fühle, rufe ich um Hilfe.«
»Wenn Sie das tun, werden sie sich wie wilde Bestien auf Sie stürzen. Dann haben Sie höchstens noch zehn Sekunden zu leben. Keiner könnte Ihnen in so kurzer Zeit zu Hilfe kommen.«
»Gut. Dann vereinbaren wir einen Code.« Kendrick knöpfte sich das grobe Hemd zu und sah sich in dem gut ausgestatteten Polizeilabor um. Seine Blicke fielen auf einige Röntgenaufnahmen, die nebeneinander an einer Schnur hingen. »Wenn Ihre Leute an den Abhöranlagen mich sagen hören, daß Filme aus
der Botschaft geschmuggelt wurden, sollen sie mich herausholen. Klar?«
»›Filme aus der Botschaft herausgeschmuggelt...‹«
»Genau. Ich werde das nicht sagen, solange keine Gefahr besteht. So, und jetzt lassen Sie die Neuigkeit verbreiten. Die Wachen sollen sich vor den Gefangenen darüber lustig machen, daß Amal Bahrudi, der Anführer der islamischen Terroristen in Osteuropa, hier in Oman gefaßt worden ist. Die kluge Strategie Ihres klugen jungen Sultans ist ein guter Schutz für mich. Sie ist mein Paß in die verrottete Welt des Terrorismus.«
»Das war eigentlich nicht ihr Sinn und Zweck.«
»Aber sie kommt uns verdammt gelegen, nicht wahr? Fast als hätte Achmad schon früher als ich daran gedacht. Und vielleicht ist das ja auch tatsächlich der Fall. Warum auch
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