Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
spähte zwischen zwei Lamellen der heruntergelassenen Jalousie auf die Straße.
»Was denn, Jack?« Dickie hob ruckartig den Kopf und blinzelte; er hatte vor sich hin gedöst.
»Ist das dort draußen nicht unser Landsmann? Der war doch völlig hinüber.«
»Wer? Wo? Mein Gott, du hast recht!«
Auf der verlassenen, schlecht beleuchteten Straße marschierte der dicke Mann auf und ab, erregt und sich immer wieder nach allen Seiten umsehend. Plötzlich zündete er nacheinander ein paar Streichhölzer an. Er schien die kleinen Flammen zu heben und zu senken und warf jedes Streichholz ärgerlich auf den Boden, bevor er das nächste anzündete. Innerhalb von neunzig Sekunden raste eine dunkle Limousine die Straße entlang,
stoppte, und zugleich gingen die Scheinwerfer aus. Erstaunt beobachteten Dickie und Jack durch die Jalousie, daß der Dicke erstaunlich geschmeidig und zielstrebig um den Wagen herumging. Als er zur Beifahrertür kam, sprang ein Araber aus dem Wagen, der zwar auf dem Kopf die Ghotra, aber sonst westliche Kleidung trug. Sofort begann der dicke Brite hastig auf ihn einzureden und fuchtelte ihm wiederholt mit dem ausgestreckten Zeigefinger vor dem Gesicht herum. Schließlich drehte er sich schwerfällig um und zeigte auf eines der oberen Stockwerke des Hotels. Daraufhin machte der Araber kehrt und lief über den Gehsteig. Ungeniert, so daß es jeder sehen konnte, zog der Dicke eine große Pistole aus dem Gürtel, riß die Wagentür weiter auf und ließ sich schnell und unmutig auf den Beifahrersitz fallen.
»Du meine Güte, hast du das gesehen!« rief Dickie.
»Er hat sich umgezogen.«
»Umgezogen?«
»Ja. Die Beleuchtung ist schlecht, aber ein geübtes Auge sieht so etwas trotzdem. Er trägt kein weißes Hemd und auch keine Nadelstreifen mehr. Das Hemd ist dunkel, die Hose schwarz, aus derbem Wollstoff – in diesem Klima kaum das Ideale.«
»Was redest du da?« rief Dickie erstaunt. »Ich habe die Waffe gemeint.«
»Ist doch ganz logisch, Junge, du handelst mit Eisen und anderen Metallen und ich mit Textilien.«
»Also wirklich, Freund, du hast mich geplättet! Da spaziert ein gut zweihundertfünfzig Pfund schwerer Brocken, der vor einer Viertelstunde noch so voll war, daß wir beide ihn in sein Zimmer schleppen mußten, plötzlich stocknüchtern auf der Straße rum, erteilt einem anderen Kerl Befehle, zeigt ungeniert eine Mordspistole und steigt in ein Auto, das er ganz offensichtlich durch ein Signal herbeordert hat – und alles, was du siehst, ist seine Kleidung.«
»Nun, alter Junge, mir ist natürlich noch einiges mehr aufgefallen. Selbstverständlich habe ich die Waffe gesehen, und den Araber mit dem weißen Flatterding auf dem Kopf und das Auto, das offensichtlich von einem Irren gefahren wird – und wegen all dieser Widersprüche ist mir seine Kleidung ganz besonders aufgefallen. Kapierst du?«
»Ne, nicht die Bohne.«
»Vielleicht habe ich mich nicht ganz richtig ausgedrückt...«
»Dann versuch’s noch einmal, Jack.«
»Ja schön. Der fette Kerl mag betrunken gewesen sein oder nicht, aber er war ein Geck erster Ordnung. Der Anzug aus federleichtem, allerbesten Kammgarn, ein Angelo-Hemd von der Bond Street Ost, die feinste Foulardkrawatte, die Harrods auf Lager hat, und Schuhe von Benedictine – südafrikanisches Leder und italienische Maßarbeit. Er hat sich herausgeputzt, um was aufzureißen, hab’ ich gedacht, und er ist für dieses Klima genau richtig angezogen.«
»Und?« fragte Dickie gereizt.
»Jetzt trägt er plötzlich Jackett und Hose von durchschnittlicher Qualität, die Sachen sitzen schlecht und sind für dieses verflixte Wetter viel zu schwer. Und, da wir gerade dabei sind – ich kenne jede Textilfirma in Manchester, aber es gibt weder Twillingame noch Burlingame, noch irgendeine, die einen ähnlichen Namen hat.«
»Was du nicht sagst! Das ist ja ein Hammer!«
»Ich bin auch der Meinung, daß wir heute früh nicht abfliegen sollten.«
»Mein Gott, warum denn nicht?«
»Ich denke, wir sollten in unsere Botschaft hinübergehen und jemanden wecken.«
»Was!?«
»Dickie, angenommen, der Kerl hat sich so unauffällig angezogen, um jemanden umzubringen?«
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Das Tagebuch wurde fortgesetzt:
Der letzte Bericht klingt beunruhigend, und da es meine Anlage bisher nicht geschafft hat, die Zugriff-Codes von Langley zu knacken, weiß ich nicht einmal, ob Daten zurückgehalten wurden oder nicht. Der Schatten
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