Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Kinder werden nicht exekutiert, höchstens von Bomben und Raketen -«
»Ich werde nichts verraten.«
»Du weißt nichts«, sagte Asra. »Feßle ihn, Yosef, aber sorge dafür, daß er’s so bequem wie möglich hat.« Asra beugte sich über den Jungen. »Es gibt bessere Möglichkeiten zu kämpfen, als sinnlos zu sterben. Laß dich vom Feind auskurieren, damit du wieder kämpfen kannst... Komm zu uns zurück, du eigensinniger Freiheitskämpfer. Wir brauchen dich. Beeil dich, Yosef!« Während Yosef den Befehl ausführte, kehrten Asra und Kendrick auf die aus dem Felsgestein herausgehauene Straße zurück. Tief unter ihnen begann der weiße Sand, erstreckte sich endlos im Mondlicht, mit dem dunklen Himmel als Dach. In der Ferne sah man inmitten der weißen Fläche eine kleine, gelb pulsierende Erhebung. Ein Wüstenfeuer, der Treffpunkt, der ein wesentlicher Bestandteil der Flucht war. Die Entfernung war zu groß, so daß man die Gestalten am Feuer nicht deutlich sah, doch sie waren da. Und wie die flüchtigen Terroristen richtig vermutet hatten, handelte es sich um omanische Soldaten oder Polizei. Aber es war nicht das Exekutionskommando, wie Amal Bahrudis Begleiter glaubten.
»Du kennst das Gelände besser als ich«, sagte Kendrick auf englisch zu Asra. »Wie weit weg ist dieses Camp deiner Meinung nach?«
»Zehn Kilometer, vielleicht zwölf, aber nicht mehr. Die Straße verläuft unten ganz gerade, sie werden bald dort sein.«
»Dann müssen wir los.« Kendrick drehte sich um und beobachtete Yosef, der den verletzten Jungen auf die Straße trug. Er ging auf die beiden zu.
Asra blieb jedoch reglos stehen. »Wohin, Amal Bahrudi?« rief er laut. »Wohin sollen wir?«
Kendrick warf den Kopf zurück. »Wohin?« wiederholte er ironisch. »Vor allem weg von hier. Es wird bald hell, und falls ich noch weiß, wovon ich rede, wird bald ein Dutzend Hubschrauber im Tiefflug nach uns suchen. In der Stadt können wir untertauchen. Hier nicht.«
»Was sollen wir dann tun? Wohin gehen?«
Kendrick konnte im schwachen Licht des Mondes nicht besonders deutlich sehen, doch er fühlte den eindringlichen, fragenden Blick, der auf ihm ruhte. Er wurde getestet. »Wir schicken eine Nachricht in die Botschaft. An deine Schwester Jatim oder den, den ihr Abjad nennt. Kein Foto darf mehr
herausgeschmuggelt und die Schuldigen müssen getötet werden.«
»Wie sollen wir das anstellen, Amal Bahrudi? Eine Nachricht in die Botschaft schicken, meine ich. Haben dir deine Leute gesagt, wie das zu bewerkstelligen ist?«
Kendrick war auf die Frage vorbereitet; sie war unvermeidlich gewesen. »Offen gesagt, sie wußten nicht so recht, wo der Kanal ist, und sie waren der Meinung, daß ihr ihn, wenn ihr nur ein bißchen Verstand habt, täglich ändert. Ich sollte eurem Kommandostab eine Nachricht mit der Aufforderung zuspielen, mich durch den geheimen Kanal – egal, wo er gerade ist – in die Botschaft einzuschleusen.«
»Gewöhnlich werden solche Nachrichten für eine Falle gehalten. Warum sollten meine Leute ausgerechnet mit deiner eine Ausnahme machen?«
Kendrick machte eine bedeutungsvolle Pause; als er weitersprach, klang seine Stimme tiefer als sonst. »Weil meine Nachricht vom Mahdi persönlich unterschrieben ist.«
Asra riß die Augen auf, nickte bedächtig und hob die Hand. »Von wem?« fragte er.
»Der Umschlag war versiegelt und durfte nicht geöffnet werden. Das war eine Kränkung, die ich nur schwer ertrug, aber sogar ich gehorche den Befehlen jener, die die Musik bezahlen. Wenn du verstehst, was ich meine. Wenn es einen Code gab, der die Echtheit bestätigte, mußtet ihr ihn kennen, nicht ich.«
»Gib mir den Brief«, sagte Asra.
»Idiot!« rief Kendrick zornig. »Als ich sah, daß die Polizei mich umzingelt hatte, habe ich ihn zerrissen und die Schnitzel auf Wadi al Kabir verstreut. Hättest du etwas anderes getan?«
Der Palästinenser rührte sich nicht. »Nein, natürlich nicht«, erwiderte er. »Und jetzt brauchen wir ihn auch nicht mehr. Ich schleuse uns in die Botschaft ein. Der ›Kanal‹, wie du ihn nennst, ist drinnen und draußen sehr gut organisiert.«
»Ja, so gut, daß direkt unter den Nasen eurer gut organisierten Wachen Filme herausgeschmuggelt werden können. Schick deiner Schwester eine Nachricht hinein. Wechselt jeden einzelnen Wachposten aus, und fangt sofort an, nach dem Fotoapparat zu suchen. Wenn ihr ihn gefunden habt, tötet den Besitzer und alle, die seine Freunde zu sein scheinen. Tötet
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