Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
wir?«
»Vielleicht weil wir es können – und sie nicht.«
»Es ist politisch verhängnisvoll«, sagte der Fahrer heftig. »Washington rührt eine Suppe an, wäscht dann seine Hände in Unschuld und überläßt uns die Dreckarbeit. Eine solche politische Entscheidung können nur die Arabisten im Außenministerium getroffen haben. Wenn wir versagen – beziehungsweise er versagt, wenn wir auch nur in seiner Nähe sind, wird man für jede Hinrichtung die Juden verantwortlich machen. Wieder werden dann die Christenmörder zugeschlagen haben.«
»Da muß ich Sie korrigieren«, entgegnete Ben-Ami. »Washington hat uns das nicht >aufgehalst<, weil niemand in Washington ahnt, daß wir Bescheid wissen. Und wenn wir unseren Job richtig anpacken, werden wir gar nicht in Erscheinung treten; wir werden nur helfen, wenn es unbedingt nötig ist, und es darf dabei nicht den geringsten Hinweis auf uns geben.«
»Sie wollen nicht antworten!« schrie Yakov. »Sie weichen mir aus. Warum?«
»Ich habe geantwortet, ich bin nicht ausgewichen, aber Sie haben nicht richtig zugehört, mein Junge. Sie haben andere Dinge im Kopf. Ich sagte, daß wir das, was wir tun, deshalb tun, weil wir vielleicht etwas bewirken können – VIELLEICHT, garantieren können wir nichts. Bedenken Sie bitte – zweihundertsechsunddreißig Menschen sind in dieser Vorhölle gefangen und erleiden, was wir als Volk nur allzugut kennen. Zu diesen zweihundertsechsunddreißig gehört Ihr Vater, einer der für Israel wertvollsten Männer. Falls dieser Mann, dieser Kongreßabgeordnete, auch nur den Schatten einer möglichen Lösung
sieht, müssen wir alles tun, was wir können, und wenn’s nur deshalb ist, um festzustellen, ob er recht hat oder nicht. Aber vor allem müssen wir ihn finden.«
»Wer ist es?« fragte der Mossad-Mann verächtlich. »Hat er einen Namen, oder haben die Amerikaner auch den begraben?«
»Er heißt Kendrick...«
Das klapprige Fahrzeug geriet ins Schleudern. Der Mossad-Mann hatte auf den Namen so heftig reagiert, daß er fast von der Straße abgekommen wäre. »Evan Kendrick?« fragte er, vorsichtig gegensteuernd, die Augen vor Staunen weit aufgerissen.
»ja.«
»Die Kendrick-Gruppe.«
»Die was?« fragte Yakov, der den Fahrer nicht aus den Augen ließ.
»Das Unternehmen, das er hier leitete.«
»Morgen früh bekommen wir aus Washington sein Dossier«, sagte Ben-Ami.
»Das braucht ihr nicht«, erwiderte der Mossad-Agent. »Wir haben hier eine Akte über ihn, so dick wie die mosaischen Gesetzestafeln. Wir haben auch eine über Emmanuel Weingrass – von der wir uns oft wünschen, wir hätten sie nicht.«
»Da komme ich nicht mit.«
»Nicht jetzt, Ben-Ami. Dazu brauche ich ein paar Stunden Zeit und sehr viel Wein – verdammter Weingrass! Er hat mich dazu gebracht, das zu sagen.«
»Würden Sie sich bitte ein bißchen klarer ausdrücken?«
»Kürzer, mein Freund, nicht unbedingt klarer. Wenn Kendrick zurückgekommen ist, weiß er etwas, und er ist hier, um eine fünf Jahre alte Rechnung zu begleichen – eine Explosion, die das Leben von über siebzig Männern, Frauen und Kindern ausgelöscht hat. Sie waren seine Familie. Ihr müßtet ihn kennen, um das zu verstehen.«
»Sie haben ihn gekannt?« fragte, sich vorbeugend, Ben-Ami. »Sie kennen ihn?«
»Nicht gut, aber gut genug, um zu begreifen. Derjenige, der ihn am besten kannte – Vaterfigur, Trinkkumpan, Beichtvater, Berater, Genie und bester Freund -, war Emmanuel Weingrass.«
»Der Mann, den Sie ganz offensichtlich ablehnen«, warf Yakov ein, den Blick noch immer auf den Fahrer gerichtet.
»Von ganzem Herzen ablehne«, stimmte der israelische Geheimagent
zu. »Aber er ist nicht ganz wertlos. Ich wünschte, er wäre hier, aber das ist er nicht.«
»Für wen nicht ganz wertlos? Für die Mossad?« fragte Ben-Ami.
Es war, als stürze diese Frage den Mossad-Mann in tiefe Verlegenheit. »Wir haben ihn in Paris eingesetzt«, sagte er und schluckte trocken. »Er bewegt sich in seltsamen Kreisen, hat Kontakt zu Randgruppen. Tatsächlich – lieber Gott, es fällt mir schwer, es zuzugeben – war er für uns recht nützlich. Durch ihn sind wir den Terroristen auf die Spur gekommen, die in das koschere Restaurant in der Rue du Bac eine Bombe warfen. Wir haben das Problem selbst gelöst, aber irgendein verdammter Narr hat ihm erlaubt dabeizusein, als wir die Kerle umlegten. Blöd, wirklich blöd. Doch um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«, fügte der Fahrer grollend hinzu,
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