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Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan

Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan

Titel: Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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schwach, und daher war es nicht möglich, ihn zweifelsfrei zu identifizieren – auch wenn die Nachricht von ihrer Flucht schon bis hierher gedrungen sein sollte. Aber auch wenn das der Fall war, würde der Feind auf eine ungewisse Möglichkeit hin keinen Sturmangriff wagen; er hätte für die Geiseln tödliche Folgen. Der Platz lag verlassen da, nur ein paar Bettler in Lumpen hockten an der Sandsteinmauer der Botschaft, vor sich ihre Almosenteller, einige mit ihren Exkrementen unter sich. Die dreckigsten unter ihnen waren bestimmt keine Agenten des Sultans oder ausländischer Regierungen, aber bei ein paar anderen hielt er es für möglich. Scharf musterte Asra diejenigen, die vielleicht getarnte Agenten waren, und achtete darauf, ob sie sich nicht durch ungewollt abrupte Bewegungen verrieten, weil sie die verkrampfte Körperhaltung der Bettler, die stundenlang auf den Fersen hockten, nicht gewohnt waren und nicht lange aushielten. Doch keiner rührte sich, keiner massierte sich ein Bein; das war zwar
noch kein Beweis, aber mehr konnte er nicht verlangen. Asra holte die MAC-10-MP unter dem Hemd hervor und reichte sie Yosef.
    »Ich geh’ jetzt rüber«, sagte er auf arabisch. »Gib mir Dekkung. Wenn einer von den Bettlern eine Bewegung macht, die nicht zu einem Bettler paßt, erwarte ich, daß du auf dem Posten bist.«
    »Geh nur los. Ich bleibe hinter dir, halte mich zuerst im Schatten des Hospitals und schlüpfe dann auf der rechten Seite aus einer Türnische in die andere. Ich bin ein ausgezeichneter Schütze, und falls einer der Bettler eine unpassende Bewegung macht, wird er sie nicht lange überleben.«
    »Sei nicht vorschnell, Yosef. Mach ja nicht den Fehler zu schießen, wenn es nicht nötig ist. Ich muß mit einem dieser Schwachsinnigen in der Botschaft reden und werde hinüberwanken, als sei das nicht gerade der beste Morgen meines Lebens.« Asra wandte sich an Kendrick, der sich zwischen das spärliche Laubwerk an der Krankenhausmauer verkrochen hatte. »Wenn Yosef drüben bei dem ersten Gebäude ist, kommst du langsam heraus und folgst ihm, aber fall’ um Himmels willen nicht auf! Bleib ab und zu stehen, kratz dich, spuck oft aus, und vergiß nicht, daß du nicht aussiehst wie jemand mit guter Kinderstube.«
    »Ich kenne das Spiel«, log Kendrick tief zufrieden, weil er so ganz nebenbei viel über Terroristen erfuhr. »Glaubst du nicht, daß ich solche Taktiken häufiger als du angewendet habe?«
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll«, antwortete Asra. »Ich weiß nur, daß es mir nicht gefallen hat, wie du an der Moschee vorübergegangen bist. Die Mullahs und die Muezzins haben sich gerade versammelt. Vielleicht verhältst du dich in den zivilisierten Großstädten Europas klüger.«
    »Ich verstehe mein Geschäft«, sagte Kendrick eisig, der wußte, daß er sich jetzt mit kühler Untertreibung durchsetzen mußte. Er wurde jedoch schnell von seinem hohen Roß heruntergeholt, denn Asra grinste. Es war das erste aufrichtige Lächeln, das er von dem Mann zu sehen bekam, der sich >Blau< nannte.
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte Asra nickend. »Schließlich bin ich keine Leiche in der Wüste, sondern hier und sehr lebendig. Das verdanke ich dir, Amal Bahrudi.«

    Asra drehte sich einmal schnell um die eigene Achse, stand auf, ging schwankend über den kleinen Rasen vor dem Krankenhaus und bog in die breite Straße ein, die direkt zu dem Platz vor der Botschaft führte. Nach ein paar Sekunden stürmte Yosef heraus, im rechten Winkel zu seinem Herrn und Meister überquerte er die schmale Gasse etwa fünf bis sechs Meter vor der Ecke, hielt sich dann ganz dicht an der Mauer des Gebäudes im dunkelsten Schatten. Als Asras einsame Gestalt voll sichtbar wurde und sich torkelnd dem Tor der Botschaft näherte, verschwand Yosef um die Ecke. Das letzte, was Kendrick von ihm sah, war die MAC-10-MP, die ihm von der linken Hand hinunterhing. Kendrick wußte, daß jetzt auch für ihn der Augenblick gekommen war, und plötzlich wünschte sich irgend etwas in ihm, er wäre wieder in Colorado, am Fuß der Berge, und, wenn auch nur vorübergehend, im Frieden mit der Welt. Dann kamen die Bilder wieder, Momentaufnahmen vor seinem inneren Auge: Donner. Eine Serie ohrenbetäubender Explosionen. Rauch. Einstürzende Mauern. Schreiende Kinder, außer sich vor Angst, die nur noch Sekunden zu leben hatten. Kinder! Und Frauen, junge Mütter, die vor Entsetzen kreischten und sich aufbäumten, als tonnenweise Geröll aus dreißig

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