Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Feind aufgenommen und Instruktionen weitergegeben? Und hatte das etwas mit den entsprungenen Häftlingen zu tun gehabt, die jetzt die Straße heraufgerannt kamen?
Daß da eine Verbindung bestehen mußte, schien unwiderlegbar. Und widersprach jeder Logik.
Als die drei Gestalten vorüber waren, richtete sich Anthony MacDonald schwerfällig auf und grunzte erleichtert, als er in Schweiß gebadet endlich auf den Beinen stand. Widerstrebend mußte er sich eingestehen, daß von den nächsten Stunden Gewinn oder Verlust unzähliger Millionen abhängen konnten, und er kam deshalb zu dem Schluß, daß das Rätsel, das Kalaila plötzlich darstellte, gelöst werden müsse, und die Antworten, die er so verzweifelt suchte, in der Botschaft zu finden waren. Doch nicht nur der Verlust der Millionen drohte, wenn er die Antworten nicht fand; falls die Hure, dieses Miststück, die Zentralfigur bei einem entscheidenden Coup war, und es ihm nicht gelang, sie daran zu hindern, war es durchaus möglich, daß Bahrein ihn exekutieren ließ. Der Mahdi duldete keine Versager um sich.
Er mußte sich Zutritt zur Botschaft verschaffen – auch wenn sie die reinste Hölle war.
Die Lockheed C-130-Hercules mit israelischem Hoheitszeichen kreiste in zehntausend Meter Höhe östlich von El Ubaylah über der saudiarabischen Wüste. Die Flugroute von Hebron war alles andere als direkt: südwärts über die Wüste Negev zum Golf von Akaba und zum Roten Meer, dann wieder nach Süden, parallel mit der Küste von Ägypten, des Sudans und Saudi-Arabiens. Ab Hamdanah führte der Kurs nach Nord-Nordost und verursachte
ein Chaos auf den Radarnetzen zwischen dem Flughafen von Mekka und Kal Bischah; bei El Churmah erfolgte eine Kursänderung nach Osten zur Sandwüste Dahna. Bei Dschidda war die Maschine über dem Roten Meer in der Luft aufgetankt worden; das gleiche sollte auf dem Rückflug geschehen, nachdem die fünf Passagiere von Bord gegangen waren.
Sie saßen im Frachtraum, fünf ziemlich heruntergekommen aussehende Soldaten in Zivil, Freiwillige der wenig bekannten Masada-Brigade, einer elitären Einsatztruppe, die auf Straf- und Rettungsexpeditionen, Sabotage und politische Attentate spezialisiert war. Keiner war älter als zweiunddreißig, alle sprachen fließend Hebräisch, Jiddisch, Arabisch und Englisch.
Es waren physisch ausgesucht prachtvolle Exemplare der Spezies Mensch, bronzebraun gebrannt von ihrer Ausbildung in der Wüste und von einer Disziplin durchdrungen, die sie dank ihres überdurchschnittlichen Reaktionsvermögens befähigte, in Sekundenbruchteilen Entscheidungen zu treffen; jeder hatte einen denkbar hohen Intelligenzquotienten, und alle waren zu allem bereit, denn alle hatten unmenschlich gelitten – entweder sie selbst oder ihre engste Familie. Sie konnten zwar lachen, aber noch besser konnten sie hassen.
Sie saßen vorgebeugt auf einer Bank in der Backbordseite des Flugzeugs und zupften abwesend an den Gurten ihrer Fallschirme, die sie erst vor kurzem angelegt hatten. Sie unterhielten sich leise – das heißt, vier redeten, einer war still. Der schweigende Mann war der Anführer der Gruppe; auch er saß vorgebeugt da, doch er starrte ausdruckslos auf den gegenüberliegenden Spant: ungefähr Ende Zwanzig, Haare und Brauen von der unbarmherzigen Sonne zu gelblichem Weiß gebleicht, große dunkelbraune Augen und hohe Backenknochen, eine scharfe semitische Nase und schmale Lippen. Von den Männern war er weder der älteste noch der jüngste, doch er war ihr Anführer; man las es in seinem Gesicht, in seinen Augen.
Der Einsatz in Oman war von den höchsten Beratern des israelischen Verteidigungsministeriums befohlen worden. Die Chancen für einen Erfolg waren minimal, viel wahrscheinlicher war, daß der Auftrag mißlingen und sie sterben würden, aber der Versuch mußte unternommen werden. Denn unter den zweihundertsechsunddreißig Geiseln in der amerikanischen Botschaft in Maskat war ein Spitzenagent der Mossad, Israels
Geheimdienst, der in der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat. Falls er enttarnt wurde, würde man ihn in irgendeine von einem Dutzend »medizinischer Kliniken« bringen, über die Freund und Feind gleichermaßen verfügten, und wo man den Patienten intravenös Chemikalien verabreichte, die viel wirkungsvoller waren als jede Folter. Tausend Geheimnisse würden preisgegeben werden, Geheimnisse, die den Staat Israel gefährden und die Mossad im Nahen Osten entmachten würden. Die Parole lautete: Holt ihn
Weitere Kostenlose Bücher