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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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und nun ließ er sich schweigend auf ein Knie fallen, nahm die noch warmen Geschosse auf und legte sie in seine hohle Hand. Er schloß die Hand fest darüber.
    Die Sonne ging hinter ihnen auf.
    »Ich glaube, wir sollten jetzt erst einmal zu den anderen gehen ihnen von unserem Erlebnis erzählen und sie hierherholen«, sagte Pater Peregrine.
    Als die Sonne vollends aufgegangen war, befanden sie sich schon ein gutes Stück auf ihrem Heimweg zum Raumschiff.
     
    Pater Peregrine zog einen Kreis in der Mitte der schwarzen Tafel.
    »Dies ist Christus, Gottes Sohn.«
    Er tat, als höre er nicht das scharfe Luftholen der anderen Patres.
    »Dies ist Christus, in all seiner himmlischen Herrlichkeit«, fuhr er fort.
    »Es sieht aus wie eine Geometrieaufgabe«, bemerkte Pater Stone.
    »Ein gelungener Vergleich, denn wir haben es hier mit Symbolen zu tun. Christus ist deshalb nicht weniger Christus, werden Sie zugeben müssen, wenn man ihn durch einen Kreis oder ein Quadrat darstellt. Jahrhundertelang war das Kreuz das Symbol für seine Liebe und sein Leid. Dieser Kreis wird nun Christus auf dem Mars darstellen. So werden wir Ihn den Marsbewohnern bringen.«
    Die Patres bewegten sich unruhig und sahen einander an.
    »Sie, Bruder Matthias werden in Glas ein Abbild dieses Kreises schaffen, eine mit strahlendem Licht gefüllte Kugel. Sie soll auf dem Altar stehen.«
    »Ein billiger Zaubertrick«, murrte Pater Stone.
    Pater Peregrine fuhr geduldig fort: »Im Gegenteil. Wir bringen ihnen Gott in einem für sie verständlichen Bild. Wenn Christus als achtfüßiger Polyp zu uns auf die Erde herabgestiegen wäre, hätten wir ihn dann so bereitwillig empfangen?« Er breitete die Hände aus. »War es also ein billiger Zaubertrick des Herrn, uns den Heiland durch Jesus, in des Menschen Gestalt, zu bringen? Wenn wir die Kirche, die wir hier bauen werden, gesegnet und den Altar und dieses Symbol geweiht haben werden, glauben Sie, daß Christus sich weigern würde, diese Form zu bewohnen? Ihr alle wißt in euren Herzen, daß er sich nicht weigern würde.«
    »Aber die Gestalt eines seelenlosen Tieres!« protestierte Bruder Matthias.
    »Darüber haben wir schon etliche Male gesprochen, seit wir heute morgen zurückkamen, Bruder Matthias. Diese Geschöpfe retteten uns vor der Steinlawine. Sie erkannten, daß Selbstzerstörung eine Sünde ist, und verhinderten sie wieder und wieder. Deshalb müssen wir eine Kirche in den Bergen bauen, bei ihnen leben, damit wir ihre Art zu sündigen herausfinden, uns fremde Sünden vielleicht, und ihnen helfen können, zu Gott zu finden.«
    Die Patres schien diese Aussicht nicht sonderlich zu erfreuen.
    »Ist es, weil sie dem Auge so ungewöhnlich erscheinen?« wunderte sich Pater Peregrine. »Aber was bedeutet schon die Gestalt? Nur ein Gefäß für die leuchtende Seele, die Gott uns allen gegeben hat. Wenn ich morgen plötzlich herausfände, daß Seelöwen einen freien Willen besäßen, Verstand, wüßten, was Sünde bedeutet, wüßten, was Leben ist, die Gerechtigkeit durch Gnade linderten und das Leben durch Liebe läuterten – ich würde ihnen eine unterseeische Kathedrale bauen. Und wenn die Sperlinge auf wunderbare Weise durch Gottes Willen morgen ewige Seelen erhielten, ich würde eine Kirche mit Helium füllen und sie hinter ihnen hertragen; denn alle Seelen in jeglicher äußeren Form, die einen freien Willen besitzen und sich ihrer Sünde bewußt sind werden in der Hölle brennen, wenn sie nicht die ihnen von Rechts wegen zustehende Heilige Kommunion empfangen. Ich möchte auch keinen Marsbewohner in der Hölle brennen lassen, weil er in meinen Augen nur eine gasgefüllte Kugel ist. Wenn ich meine Augen schließe, steht vor mir ein intelligentes Wesen, voller Liebe, mit einer Seele begabt – und ich darf es nicht verleugnen!«
    »Aber diese Glaskugel, die Sie auf den Altar setzen lassen wollen«, protestierte Pater Stone.
    »Denken Sie einmal an die Chinesen«, erwiderte Pater Peregrine unerschüttert. »Was für einen Heiland beten die christlichen Chinesen an? Einen orientalischen Christus, natürlicherweise. Ihr alle habt orientalische Darstellungen der Geburt Christi gesehen. Wie ist Christus dort gekleidet? In östliche Gewänder. Durch was für Gefilde wandelt er? Durch chinesische Bambushaine und neblige Berglandschaften mit seltsamen Bäumen. Seine Augen laufen spitz aus, seine Backenknochen stehen hervor. Jedes Land, jede Rasse gibt unserem Herrn ihr Gesicht. Ich denke an die Jungfrau von

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