Der illustrierte Mann
»Ich sehe Ihre Freunde nicht.«
»Lassen Sie es mich noch einmal versuchen.« Pater Peregrine schwitzte.
Er errichtete ein Gebäude aus Tönen von Bach, Stein für Stein einen Dom aus Musik. Die Musik blieb und fiel nicht zusammen, als er zu Ende gespielt hatte, sondern schwang sich auf einen Haufen weißer Wolken und schwebte fort.
Der Himmel war immer noch leer.
»Sie werden kommen!« Doch Pater Peregrine fühlte Panik in seiner Brust, wenig noch, aber ständig wachsend. »Laßt uns beten. Laßt uns sie bitten zu kommen. Sie können Gedanken lesen; sie werden verstehen.«
Flüsternd und mit raschelnden Gewändern ließen die Patres sich wieder auf die Knie nieder. Sie beteten.
Und aus dem Osten, aus den eisigen Bergen, um sieben Uhr an diesem Sonntagmorgen, oder vielleicht Dienstag- oder Montagmorgen auf dem Mars, kamen die sanft strahlenden feurigen Kugeln.
Sie schwebten und sanken herab und füllten den Raum rund um die zitternden Priester. »Ich danke dir, Herr; oh, ich danke dir!« Pater Peregrine schloß fest seine Augen und spielte weiter auf der Orgel, und als er geendet hatte, drehte er sich um und überblickte seine wunderbare Gemeinde.
Da erklang eine Stimme in ihm, und diese Stimme sprach: »Wir sind für eine kurze Zeit zu euch gekommen. Wir sind gekommen, um euch gewisse Dinge zu erklären. Wir hätten schon früher sprechen sollen, aber wir hatten gehofft, ihr würdet eures Weges ziehen, wenn wir euch allein ließen.«
Pater Peregrine wollte antworten, aber die Stimme sprach weiter und brachte ihn zum Schweigen.
»Wir sind die Alten«, sagte die Stimme und drang in ihn wie eine blaue Gasflamme und brannte in den Kammern seines Gehirns. »Wir sind die ersten Marsbewohner, die aus ihren marmornen Städten in die Berge auszogen und dem materialistischen Leben entsagten, das wir bis dahin geführt hatten. Vor sehr, sehr langer Zeit nahmen wir diese Gestalt an, die wir jetzt besitzen. Einst waren wir Menschen, mit Körpern und Armen und Beinen wie ihr. Die Überlieferung berichtet, daß einer von uns, ein guter Mensch, einen Weg fand, die Seele und den Verstand des Menschen zu befreien, ihn frei zu machen von körperlichen Gebrechen und Schwermut, von Tod und Gestaltwandel, von übler Laune und Altersschwache – so nahmen wir dieses Aussehen von Blitz und blauem Feuer an und leben seitdem in Wind und Wolken und Bergen, weder stolz noch hochmütig, weder arm noch reich, weder leidenschaftlich noch teilnahmslos. Wir leben getrennt von jenen, die wir zurückgelassen haben, den anderen Menschen dieser Welt, und wie wir zu dieser Gestalt gekommen sind, ist in Vergessenheit geraten. Das Verfahren ist verloren gegangen, aber wir werden nie sterben, noch Böses tun. Wir haben die Sünden des Fleisches abgetan und leben im Zustand göttlicher Gnade. Wir begehren kein anderes Gut, wir besitzen kein Eigentum. Wir stehlen nicht, wir töten nicht, wir kennen keine Begierde und keinen Haß. Wir leben in Glückseligkeit. Wir können uns nicht vermehren, wir essen nicht, wir trinken nicht, wir führen keinen Krieg. Alles sinnliche Begehren, alle Kindlichkeit und alle körperlichen Sünden haben wir abgestreift, als wir unsere menschliche Gestalt ablegten. Wir haben die Sünde abgelegt, Pater Peregrine, und sie ist vergangen wie der schmutzige Schnee eines üblen Winters, vergangen wie die sinnenfrohen Blüten eines rotgoldenen Frühlings, vergangen wie die schweißtreibenden Nächte eines heißen Sommers, und unsere Jahreszeiten sind gemäßigt, und unsere geistige Saat treibt reiche Ernte.«
Pater Peregrine hatte sich erhoben, denn die Stimme traf ihn mit solcher Macht, daß sie ihm fast die Sinne raubte. Verzückung brannte wie Feuer durch seine Glieder.
»Wir möchten euch sagen, daß wir euch für die Einrichtung dieses Ortes für uns dankbar sind, aber wir benötigen ihn nicht, denn jeder von uns ist sein eigenes Gotteshaus und braucht keinen besonderen Ort, um sich zu läutern. Vergebt uns, daß wir nicht früher zu euch gekommen sind, aber wir leben völlig abgeschlossen für uns und haben seit zehntausend Jahren mit niemandem anderem gesprochen, noch jemals auf irgendeine Weise in das Leben auf diesem Planeten eingegriffen. Ihr denkt jetzt, daß wir die Lilien auf dem Felde sind; ihr habt recht, wir arbeiten nicht und wir schaffen nicht. Wir schlagen euch vor, daß ihr die Teile dieses Tempels in eure eigenen neuen Städte tragt, um dort andere zu läutern; denn ihr dürft euch darauf verlassen, daß
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