Der illustrierte Mann
einmal im Monat vielleicht. Meine Frau liebt mich so sehr, daß sie es nicht ertragen kann, wenn ich nur eine Stunde fort bin.«
»Du hast wenigstens noch das Glück, daß deine Frau dich liebt. Haß ist mein Problem. Nicht so einfach.«
»Oh, Nettie liebt mich rasend. Meine Aufgabe wird es sein, ihre Leidenschaft ein wenig zu zügeln.«
»Viel Glück, Smith. Schau ab und zu mal rein, wenn ich in Rio bin. Es würde meiner Frau sonderbar vorkommen, wenn du plötzlich deine Besuche einstellen wolltest. Du kannst Braling Zwei hier genauso wie mich behandeln.«
»In Ordnung. Auf Wiedersehn. Und vielen Dank.«
Smith ging lächelnd die Straße hinunter. Braling und Braling Zwei drehten sich um und traten in den Hausflur.
Im Omnibus pfiff Smith leise vor sich hin und drehte die weiße Karte in seiner Hand:
Unsere Klienten sind zur Geheimhaltung verpflichtet, denn solange das Gesetz zur Legalisierung von ›Marionetten, e. V.‹ vom Kongreß noch nicht verabschiedet ist, gilt es als Staatsverbrechen, eine unserer Marionetten zu benutzen.
»Sei's drum«, sagte Smith.
Klienten müssen einen Abguß ihres Körpers machen lassen, sowie einen Farbindex-Test ihrer Augen, Lippen, Haare, Haut etc. Sie müssen mit einer zweimonatigen Wartezeit rechnen, bis ihr Modell fertiggestellt ist.
Nicht so lange, dachte Smith. In zwei Monaten werden meine gequetschten Rippen Gelegenheit bekommen, wieder zurechtzuwachsen. In zwei Monaten von heute an wird meine Hand vom dauernden Gehaltenwerden heilen können. In zwei Monaten von heute an wird meine geschwollene Unterlippe wieder ihre normale Form anzunehmen beginnen. Ich möchte bestimmt nicht undankbar scheinen ... Er wendete die Karte:
›Marionetten, e. V.‹ ist zwei Jahre alt und hat einen Stamm renommierter, zufriedener Kunden hinter sich. Unser Motto lautet: ›Keinerlei Bindungen mehr‹. Adresse: 43, South Wesley Drive.
Der Bus bremste; er kletterte hinaus, und während er summend die Treppen hinaufstieg, dachte er, Nettie und ich haben fünfzehntausend auf unserem gemeinsamen Bankkonto. Ich werde einfach achttausend abheben, für ein Spekulationsgeschäft, könnte man sagen. Die Marionette wird mir mein Geld wieder einbringen, mit Zinsen, auf manche Weise. Nettie braucht es nicht zu wissen. Einen Augenblick später stand er im Schlafzimmer.
›Gute Nettie.‹ Reue überwältigte ihn fast, als er ihr unschuldiges Gesicht im Halbdunkel sah. ›Wärest du wach, du würdest mich mit Küssen erdrücken und Liebesschwüre in mein Ohr flüstern. Wirklich, vor dir komme ich mir wie ein Verbrecher vor. Du bist mir so eine gute, liebevolle Frau gewesen. Manchmal kann ich es immer noch nicht glauben, daß du mich geheiratet hast anstelle von diesem Bud Chapman, den du einmal so gern hattest. Ich meine fast, daß du mich im letzten Monat noch ungestümer geliebt hast als je zuvor.‹
Tränen traten in seine Augen. Plötzlich wünschte er sie zu küssen, ihr seine Liebe einzugestehen, die Karte zu zerreißen, die ganze Sache zu vergessen. Aber als er sich über sie beugen wollte, knackten seine Rippen, und seine Hand schmerzte. Mit einem wehen Ausdruck in seinen Augen hielt er inne und drehte sich um. Er ging in die Diele hinaus und durch die dunklen Zimmer. Vor sich hin summend, öffnete er den nierenförmigen Schreibtisch im Bibliothekszimmer und entnahm ihm das Sparbuch. »Ich nehme mir einfach achttausend Dollar, und damit hat sich's«, sagte er. »Nicht mehr.« Er stutzte. »Was ist denn das?«
Fieberhaft blätterte er das ganze Sparbuch durch. »Na warte!« schrie er. »Zehntausend Dollar fehlen!« Er sprang auf. »Nur fünftausend sind noch übrig! Was hat sie getan? Was hat Nettie bloß damit gemacht? Noch mehr Hüte, noch mehr Kleider, noch mehr Parfüm! Oder – halt – ich weiß es! Sie hat das kleine Haus am Hudson gekauft, von dem sie schon seit Monaten redet – und das, ohne wenigstens der Form halber ›mit deiner Erlaubnis‹ zu sagen!«
Er stürmte ins Schlafzimmer, aufgebracht und seiner Sache sicher. Was bildete sie sich ein, so einfach über ihr gemeinsames Geld zu verfügen! Er beugte sich über sie. »Nettie!« rief er laut. »Nettie, wach auf!«
Sie rührte sich nicht. »Was hast du mit dem Geld getan!« schrie er.
Etwas an ihr kam ihm sonderbar vor. Sein Herz begann wild zu klopfen. Sein Mund wurde trocken. Ein Schauder überrann ihn. Seine Knie wurden plötzlich weich. Er brach zusammen. »Nettie, Nettie!« schrie er. »Was hast
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