Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Mit einem Knall schlug sie die Tür zu.
    Auf allen Höfen und Spielplätzen der Straße trugen die Kinder Messer und Gabeln, Schürhaken, alte Ofenrohre und Dosenöffner zusammen.
    Interessanterweise hatte diese eifrige Geschäftigkeit nur die kleineren Kinder ergriffen. Die älteren, etwa vom zehnten Lebensfahr ab, hielten dieses Spiel für albern und zogen mit spöttischen Bemerkungen ihrer Wege.
    Eltern kamen und fuhren in chromblitzenden Atomstraßenkreuzern davon. Handwerker reparierten Vakuum-Aufzüge in den Häusern, setzten neue Röhren in flimmernde Fernsehgeräte und hämmerten an widerspenstigen Lebensmittel-Verteilerröhren herum. Die vorbeikommenden Erwachsenen beneideten insgeheim die geschäftig umhersausenden Knirpse um ihren Eifer und ihre Energie, lächelten nachsichtig über ihre Kindereien und wünschten wohl im stillen, auch noch einmal so jung und unbeschwert zu sein.
    »Das und das und dieses hier«, wies Mink die anderen Kinder an, die mit Löffeln und Schraubenschlüsseln um sie herumstanden. »Du machst das, und du bringst dies dorthin. Nein! Hierher Dummkopf! Richtig. Und jetzt tretet zurück, damit ich das hier aufbauen kann.« Die Zunge zwischen den Zähnen, die Stirn nachdenkend in Falten gelegt, beschäftigte sie sich mit diversen Küchengeräten und Handwerkszeugen. »So ist's richtig. Habt ihr's alle kapiert?«
    »Jaaaaa!« schrien die Gören.
    Der zwölf Jahre alte Joseph Connors kam hinzugelaufen.
    »Geh weg!« fuhr Mink ihn an.
    »Ich will mitspielen«, sagte Joseph.
    »Geht nicht!« erwiderte Mink.
    »Warum nicht?«
    »Du würdest uns bloß auslachen.«
    »Bestimmt nicht, Ehrenwort!«
    »Nein. Wir kennen dich. Hau ab, oder wir treten dir an die Schienbeine!«
    Ein anderer zwölfjähriger Junge zischte auf seinen Motorrollschuhen heran. »He, Joe! Komm mit! Laß die dummen kleinen Mädchen doch allein spielen!«
    Joseph verzog schmollend das Gesicht. »Ich will aber mitspielen!« sagte er.
    »Du bist zu alt«, entschied Mink.
    »So alt bin ich auch wieder nicht«, entgegnete Joseph beleidigt.
    »Du würdest bloß lachen und unsere Invasion verderben.«
    Der Junge auf den Motorrollschuhen prustete höhnisch. »Komm, Joe! Die und ihre Ammenmärchen! Verrückt!«
    Zögernd ging Joseph fort. Noch bis zum nächsten Häuserblock sah er sich immer wieder nach den Kindern um.
    Mink hatte ihre Beschäftigung schon wieder aufgenommen. Aus ihren gesammelten Gegenständen baute sie einen sonderbaren Apparat. Ein anderes kleines Mädchen, das mit Bleistift und Schreibblock bewaffnet daneben saß, bemühte sich unbeholfen, Minks Anweisungen zu notieren. Ihre eifrigen Stimmen stiegen in die warme, sonnige Luft.
    Um sie herum summte das Leben der Stadt. Die Straßen, von saftigem Grün und schattigen Bäumen gesäumt, boten ein Bild des Friedens. In tausend anderen Städten zeigte sich das gleiche Bild, spielten Kinder wie hier, gingen Geschäftsleute ihrer Arbeit nach, diktierten in stillen Büros auf Tonbänder oder führten Fernsehgespräche. Silbrig glänzende Raketenschiffe zogen wie Libellen durch den blauen Himmel. Über allem aber lag die weltweite, ruhige Selbstgefälligkeit und Zufriedenheit einer Menschheit, die den Frieden für selbstverständlich hielt und ganz sicher war, daß er nie wieder gestört werden würde. Alle Staaten der Erde hatten sich zu einem einzigen Bündnis zusammengefunden, und die vollkommenen Waffen wurden von allen Nationen gemeinsam verwaltet. Ein unglaublich stabiles Gleichgewicht der Kräfte war erreicht worden und es gab keine Verräter, keine Unglücklichen oder Unzufriedenen mehr: die Welt ruhte unerschütterlich in ihren Angeln.
    Minks Mutter blickte aus einem Fenster im Obergeschoß auf den Hof hinunter.
    Diese Kinder! Sie schüttelte leicht den Kopf, während sie ihnen zusah. Nun, nach dem Spiel würden sie jedenfalls mit Appetit essen und gut schlafen – am Montag rief ohnehin wieder die Schule. Man mußte Gott dankbar sein, daß sie so kräftig und gesund waren! Sie lauschte.
    Mink redete gerade ernsthaft mit jemandem in der Nähe des Rosenstrauches – doch da war niemand zu sehen.
    Eine Phantasie haben die Kinder! Und was macht das kleine Mädchen dort – wie hieß sie doch gleich – Anna? Richtig! Anna saß am Boden und machte Notizen auf einem Schreibblock. Zuerst stellte Mink dem Rosenstrauch eine Frage, dann rief sie Anna die Antwort zu.
    »Triangel«, sagte Mink.
    »Was ist ein Tri... ein Triangel?« fragte Anna verwirrt.
    »Ist doch jetzt

Weitere Kostenlose Bücher