Der Implex
Materialisten, deren Propaganda für die erfolgreiche Interpenetration (bei jeweils unterschiedlicher Gewichtung der beiden gegeneinander) von Ratio und Empirie, wenn schon nicht gründlicher, so doch erheblich emphatischer war als Bacons, sahen den Zweck der zutreffenden Beschreibung und Erklärung des Zwecklosen nicht in der Gewinnung niemals mehr korrekturfähiger Sätze; jenen Zweck benannt aber haben sie trotzdem – als das »gute Leben« nämlich, oder mit ihrem primus La Mettrie: le bonheur .
Inzwischen, da die LaMettrieschen Zwecke aus der normativen Propaganda auf die von Kraus beschriebene Art in die Apparate gerutscht und dort eingeklemmt, mitunter gar umgekommen sind, lassen sich sogar für Leute wie d’Holbach oder Helvétius buchstäblich undenkbare zwieschlächtige Positionen einnehmen wie die einer Befürwortung der Naturwissenschaften als organisierte Unternehmungen praktischer, nicht-deduktiver Logik bei gleichzeitiger Ablehnung des aufgeklärten sozialen und anthropologischen Programms (das auf le bonheur hinauswill ) ; die »Fortschrittlichkeit« von in diesem Sinne techno- und szientophilen Reaktionären, die noch jedes Kernkraftwerk legalistisch durchgeboxt, jede Überwachungsapparatur aufgestellt und jede Inwertsetzung von Naturressourcen über deren verwissenschaftlichte kapitalistische Aneignung gerechtfertigt haben, ist nicht erst den Ökologiebewegten der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts sauer aufgestoßen. Die Richtung hat sogar ihre ernstzunehmenden philosophischen Exponenten, das heißt Köpfe, die vom größten Glück der größten Zahl, von Gleichheit für Freiheit und Freiheit in Gleichheit, von Emanzipation und Demokratie nichts halten, aber die Wissenschaften gegen jeden popperianischen, Kuhnschen oder von den science studies hervorgebrachten Angriff verteidigen – der konsequenteste uns bekannte Denker dieses Typs ist der hochflexible, blitzgescheite, lehrreiche und unterhaltsame Australier David Stove, den wir schon mehrfach haben zu Wort kommen lassen – die logische (aber eben nicht historische) Fadenscheinigkeit des Glücksversprechens der französischen Philosophiemaschinisten sieht er, weil Ablehnung illusionslos macht und Illusionslosigkeit scharfe Augen, deutlich genug in ihrer politischen Abhängigkeit von der historischen Opportunität der Mobilisierung vieler, die davon nicht gerade eine Welt zu gewinnen hatten, gegen die vom Bürgertum zu überwindende alte Gesellschaft und ihre institutionellen Erkenntnisschranken:
»What is geocentrism or heliocentrism to most human beings? What is Newton’s theory of gravitation, or Mendeléev’s table, or quantum mechanics, or its successor? The progress of knowledge can be made of interest to the mass of mankind only by their being told that it will cure their diseases, lighten their labor, and so forth. (…) Now, this promise which the Enlightenment held out has been kept in fact: modern science, as everyone knows, has enourmously alleviated human misery. But there is an extraordinary fact about it, which is almost never noticed. This is that, when the promise was first made by Bacon, and for centuries afterwards during which the promise was constantly renewed, there was no evidence whatever that it could be kept .« 77
Der erklärbare Tatbestand ist offensichtlich die Hartnäckigkeit, mit der das Versprechen in den schweren, beweisschwachen bis beleglosen Jahrhunderten erneuert und von denen, die auf Bacons Seite der Debatte wirkten, wohl auch geglaubt wurde. Unser Vorschlag zur Aufhellung lebt von der Analogie dieser Hartnäckigkeit zur langen Zeitspanne, die sich die antifeudale Naturrechtspartei damit ließ, aus falschen Prämissen darüber, was es auf der Welt gibt, eine richtige politische Strategie zu entwickeln, an deren Ende dann ein Zustand eintrat, in dem es das, was dem Seienden in jener Prämisse zugeschrieben wurde, auf der Welt tatsächlich zu geben anfing. Die Menschen, die auf Bacons Versprechen setzten, waren gemäß einer bis heute unverlorenen Überzeugung, die sie von der in ihrem Kulturkreis hegemonialen Religion geerbt hatten, der Ansicht, es gebe nur eine Welt – vom Monotheismus zum metaphysischen Monismus ist kein so großer Schritt, wie die Geschichte des Dualismus zwischen Zwei-Reiche-Lehre und Cartesianismus suggeriert –, und man werde gegen deren Gesetze jedenfalls nicht glücklich. Wenn überhaupt eine Chance zur Erlangung von le bonheur besteht, so der Folgerungsgang, dann
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