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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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korrekturbedürftigen, an den inneren Schranken der Sache sinnfällig werdenden Fehlern lernend, seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern vom Wiener Kreis bis David Armstrong) operationalisierte Ausschaltung anderer Zwecke als eben der Analyse des schlechthin Zwecklosen, das Natur ist, aus der Beobachtung und deren Auswertung – und nur diese Ausschaltung nennen wir Wissenschaft – unter den Erkenntnisweisen als der Korrekturquell aller denkbaren anderen unter ihnen eine besondere Stellung innehat, etwa wie das Auge fürs Sehen, das ohne Licht oder Hirn trotzdem nicht möglich wäre, wäre ihnen allen so abgeschmackt, borniert und prüde vorgekommen wie ein Erzählen von Liebe, das sich aus den Körpern davonmogeln will. Sicher aber ist, daß das von Feyerabend und Habermas geteilte Ansinnen, anderen Weltauffassungen als der von der Linie Bacon sich herschreibenden Geltung verschaffen zu wollen, sie blind macht dafür, daß man sich, sobald man vergißt, was die eben nicht epistemologische, sondern soziale Errungenschaft der aufgeklärten Behauptung einer Vorbildfunktion des wissenschaftlichen Erkennens und Diskutierens für jede anzustrebende Gestalt von Öffentlichkeit war, nämlich daß im Bereich des Erkennens eine Begründungspflicht, eine Pflicht zu Proben, Widerlegungskriterien und das sie alle regierende Ehrengebot der Einklammerung von Zwecken errichtet wurden, eine Situation eintritt, in der man auch nicht mehr weiß, daß das Wegfallen von Begründungen, Proben, Widerlegungen und Zweckautonomie sie alle durch die Zwecke der Mächtigen zu ersetzen erlaubt, unter deren Fuchtel dann zwar durchaus die Vielfalt – bis hin zur Vielfalt des Absurden und Idiotischen, wie bei den lamarckistischen »Forschungen« Lyssenkos unter Stalin oder den Hohle-Erde-, Wünschelruten-, Golderzeugungs-, Telepathie- und Wunderwaffen-»Forschungen« von Himmlers »Ahnenerbe«-Stab, einem wahren Springquell des Feyerabendschen Pluralismus –, aber eben auch der Wahnsinn blühen mag.
     
    Von dieser methodenhistorischen Seite der Sache abgesehen ist ferner die von Habermas ausgesprochene Schelte des angeblichen Mißbrauchs naturwissenschaftlicher Denkweise für die von dieser behauptetermaßen nicht erreichbare Analyse des Sozialen selbst verblüffend ahistorisch; sie verkennt nämlich völlig, welche Rolle der Naturbegriff spätestens seit Spinozas deus sive nature in der Debatte, welche die Aufklärung meinte, eigentlich hatte: Es war ganz banal ein Kampfbegriff gegen die Religion und damit gegen die Legitimität der feudalen Verhältnisse – ihr Feudalen tut so, lautet gleichsam der polemische Angriff der Aufklärer, als wäre die Hierarchie, die Gewalt, all das, was ihr gesellschaftlich organisiert habt, richtig, weil es in Gottes Plan liege, dabei ist all das unnatürlich, von Menschen gemacht, wie der Vergleich mit denjenigen Aspekten der Welt von der Astronomie bis zum Funktionieren lebendiger Körper, die nicht vom Feudalherren unterdrückt und nicht getauft sind, deutlich zeigt, wo eure Regeln und Gesetze nämlich keine Gültigkeit haben, eurer Souveränität deutliche Grenzen gesetzt sind (Spinozas zusätzlicher, wahrhaft genialer Dreh, diese nichtfeudale, nichtkirchliche Natur qua Vermittlung über den Schöpfungsbegriff mit Gott zu identifizieren, entwindet den Herrschenden gar ihre ideologische killer app  – ein Judogriff, den die Französische Revolution dann ganz ähnlich mit dem Begriff der Tugend durchexerziert hat: Ihr, Kirche und Feudalstaat, die uns etwas von der Natur der Dinge erzählen wollen, seid unsittlich und unmoralisch, ihr, die ihr uns mit dem Willen Gottes beeindrucken wollt, den ihr zu kennen behauptet, seid letztlich gottlos).
    Zwischen dem Naturwissenschaftsverständnis und dem Gesellschaftsvertragsbegriff der Aufklärung besteht also nicht, wie der Habermas-Einwand nahelegt, der Zusammenhang eines naiven erkenntnistheoretischen Analogieschlusses, sondern ganz handfeste, faßliche, politische Verbindungen.
VI.
Wie man die Wahrheit lügt: Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit
    Weit entfernt davon, die Eigengesetzlichkeit des Sozialen gegenüber einer sauberen Laborlandschaft nicht anzuerkennen, waren die Klarsichtigsten unter denen, die »die Aufklärung« schufen, forcierten, durchsetzten, sich der sozialen Wertigkeit ihrer Programme und Analysen vielmehr in einem Ausmaß bewußt, das seither auch bei ihren menschenfreundlichsten liberalen Erben zu arg bläßlichen Schrumpfformen einstmals

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