Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
Vom Netzwerk:
Republikanismus einen bewaffneten Arm wachsen zu lassen; das geschah allerdings genausowenig wie Analoges in anderen Bezirken des siegreichen Modells Marktwirtschaft, obwohl nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staatenwelt und der Rücknahme der Oktoberrevolution das automatische Subjekt, dem Marx auf die Schliche gekommen war, in seinem wiedererwachten Bewegungshunger überall, wo es über loyale Regierungen verfügen konnte, von den USA über Großbritannien ( New Labour ) bis zum neuen Frontstaat für die Osterweiterung, der Berliner Republik, nicht nur die Lohnnebenkosten drückte und Alimentenblumenbeete der Sozialspielwiesen verbrannte, sondern auch sämtlichen verstreuten Kleckerbesitz zerschlug, als gelte es, die Bolschewiki und ihre Feldzüge gegen das Mittelbauerntum zu beerben.
     
    Wie in der jungen Sowjetunion die Lenker der (möglichst mit sozialistischen Beschäftigungs- und Absicherungsansprüchen in Einklang zu haltenden, aber ihrem Wesen nach doch notwendig brutalen, weil existierende Produktionsmodi zerschlagenden) nachholenden ursprünglichen Akkumulation die Landwirtschaft, um sie zu industrialisieren, zunächst zentralisieren und sogar militarisieren mußten (übrigens einem frühen Plan ausgerechnet Trotzkis gemäß, der sich über Kommandowirtschaft wesentlich enthusiastischere Gedanken zu machen pflegte als Stalin, dem dann jedoch die Aufgabe zufiel, diesen Gedanken Taten folgen zu lassen), so sahen sich die Aufsichts- und sonstigen Räte der kreativen westlichen Wertschöpferei in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gezwungen, die zur Erhaltung der eigenen Wertschöpfungspotenzen nötige Konzentration von Reichtum nicht allein durch Fusionen, Übernahmen und Verwandtes, sondern auch durchs Einschmelzen unnütz und ungenutzt herumliegender Kleinschätze voranzutreiben, durch Volksaktientheater, Kommerzialisierung der Alterssicherung und so fort, um die Masse zu mehren, die für neue Markteroberungszüge oder das Befestigen krisenbedrohter Teile der Statik der eigenen Architektur erfordert war.
     
    In Deutschland freilich, abermals anders als etwa da, wo man den Economist liest und das, was da steht, in die Publikumszeitungen weiterträgt, war davon aus den Breitenmedien nichts zu erfahren – der Familienschreinereibesitzer, dem die Bank plötzlich den Sarg vor die Tür stellte, war sowenig vor dem ökonomischen Unwetter gewarnt worden wie später der Bierwirt vor dem gesetzlichen des Rauchverbots.
    Man ahnt hier wenig und glaubt immer, daß man seine Chancen durch Treten nach unten (falls es in dieser Richtung überhaupt wen gibt) sowie Nachahmung der Denk-, Sprech- und sonstigen Sitten der besser Weggekommenen verbessern kann. Intellektuell oder wenigstens beobachtend ist da nichts zu holen 3 , atmosphärisch hat man es mit Primatenhaufen zu tun. Diese besondere (und besonders lächerliche) Form des verkehrten Klassenbewußtseins ist indes bloß das augenfälligste, grellste Korrelat einer in dieser Weltregion vorherrschenden Desorientiertheit in Fragen der Ordnung, Struktur und Funktionalität des Sozialen – es scheint, als sei man hier nie wirklich zu Ende zivilisiert worden, als wäre das Gemeinwesen, wo es darauf ankommt, gar keins.
     
    Zwar hat man in der Bonner Bundesrepublik Gymnasiastinnen, Studenten und die Öffentlichkeit (von der Suchtproblem-Talkshow übers Podium am Rande der Friedensdemo bis zu den Leserbriefspalten der Zeitschrift Psychologie heute ) in den späten Siebzigern und frühen bis mittleren Achtzigern des letzten Jahrhunderts mit einem von soziologischen, soziolytischen und soziosophischen Wortbrocken (häufig marxistischer, immer kritischer Provenienz) durchsetzten Problemsprech gepeinigt, das zu den toxischsten intellektuellen Verfalls- und Spaltprodukten der Studentenbewegung gehörte und manchmal unheimlichste Legierungen mit dem aus Freudianismus, Freudomarxismus und Selbsterfahrungsterror besagter Bewegung übriggebliebenen Psychodeutsch einging – »Gut, daß wir mal drüber geredet haben« –, bis der Unterschied zwischen Sektenmeeting und Wohngemeinschaftsabend mit unbewaffnetem Auge nicht mehr zu erkennen war. Aber obwohl infolge dieser unerfreulichen Erscheinungen eine Zeitlang kein Schüler Dialekt reden konnte, ohne sich sofort von sieben Erforscherinnen und Erforschern schichtenspezifischen Sprechens umzingelt zu sehen, obwohl selbst mitten im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeitsökonomie, nämlich im Fernsehen, von

Weitere Kostenlose Bücher