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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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sich auch ganz abschaffen; er ist ja ein vergleichsweise krudes Hinweisinstrument, von der Evolution bereitgestellt, daß wir gewisse Schäden meiden sollen, daß wir Ruhe brauchen. Daß ich aber mein Bein schienen muß, weil es gebrochen ist, kann ich auch einfach einsehen; der Romancier und Satiriker Robert Anton Wilson hat vorgeschlagen, der Schöpfung nachzuhelfen, indem man das Schmerzempfinden durch ein rotes Lämpchen etwa am Handrücken ersetzt, das uns durch schnelles Blinken sagt: Wir sind in Schwierigkeiten.
     
    Will man nicht ins Lebendige im engeren Sinn, sondern lieber nur in dessen Menschenart, und bei dieser wieder bloß ins Probehandeln eingreifen, so kann man Lust und Schmerz unseretwegen auch gern durch andere Kriterien ersetzen, Macht und Ohnmacht beispielsweise – Alfred Adler hat damit die Psychoanalyse revolutionieren wollen, Foucault die Humanwissenschaften insgesamt und Nietzsche, der Kühnste von diesen, gleich das Universum als solches; wobei sich dann aber selbst bei Nietzsche fragen läßt, ob sein sadomasochistisches Pathos den Machtdenker nicht als einen erweist, der vor den Utilitaristen nur den poetischen Furor und die Wurstigkeit gegen das Durchrechnen der Lust- und Schmerzansprüche und -ängste voraushat, die seine Philosophie ganz genauso zentral setzt wie diejenigen Benthams, Mills und Sidgwicks, nur mit dem Unterschied, daß er keiner Vernunft zutraut, sie zu verrechnen (zu »bändigen«, heißt es dann absichtsvoll und alles andere als undurchschaubar). Das Machtdenken mag eine Verallgemeinerung der jeweils eigenen Erfahrungen solcher Menschen im Reich der Theorieterritorialität sein – jemand, der dabei gewesen zu sein behauptet, sagt über den denkerisch eben in sein Eigenstes gelangenden Foucault, »er sprach von der Machtposition, die er gegenüber der analytischen Philosophie erzwingen wollte«, 253 und wenn man das wiederum reflektieren würde, käme man immerhin bis auf die Sichtschärfe der Bourdieuschen Untersuchungen zu Praxis und Hexis der akademischen Welt zu einer bestimmten Zeit in Frankreich – eine unverächtliche Leistung.
     
    Wir wollen beide Wege, die Lust-Schmerz-Differenz loszuwerden – den lebenspraktisch-asketischen wie den denkerisch-kategorialen –, nicht wählen und nur notieren, daß sie nicht selten stärker aufeinander bezogen sind, als es auf den ersten Blick den Anschein hat (der späte Foucault hat manches, und Erhellendes, über die Askese gesagt), ansonsten aber abschließend darauf hinweisen, daß für die Fragen, die uns interessieren – sozialer Fortschritt, Validierung der madig gemachten menschlichen Erkenntnis- und Lernvermögen und der Perfektibilität des Einzel- wie Zwischenmenschlichen –, bei diesen beiden Negationen wenig zu gewinnen gibt; viel dagegen bei allen Unternehmungen, die sich mit den Kalkülen befassen, die man für die von Sidgwick und Bentham gewissermaßen erst en bloc untersuchten Verrechnungen der Werte jener Differenz aufstellen kann. Die Deontik ist, wo sie mit Ernst und Eifer betrieben wird, überwiegend als Zweig der modalen Logik aufgefaßt worden, und dem stimmen wir mit ein paar kleineren Vorbehalten (worunter der relativ größte ist, daß man es auch umgekehrt sehen könnte) zu. Die modale Logik insgesamt ist reich an Widersprüchen und Sorgen; die entspannteste Haltung zu diesen lernt man von jenem Bertie Wooster, der bei P.G. Wodehouse einmal sagt: »If things had been different … but then, they never are.«
     
    Die größten Schwierigkeiten hat die Analysis vorab damit, zu klären, wie es bei der Modallogik mit der Referenz steht – worauf eigentlich Möglichkeitsaussagen; das Spektrum reicht da von statistischen, probabilistischen, bayesianischen Antworten bis zur von uns bereits referierten, ziemlich kühnen von David Lewis, Referenzgrößen solcher Sätze seien ganze Welten, und diese seien auch noch in einem nichttrivialen Sinn »real«. Hat man sich für eine der da ausgearbeiteten Alternativen entschieden, taucht als nächste Schwierigkeit das Problem auf, ob man imperative (Judith Thomson und einige andere, deren Sprachregelung wir weitgehend übernommen haben, sagen: direktive) Sätze überhaupt auseinander hervorgehen lassen, miteinander nach inferentiellen Regeln verknüpfen kann wie propositionale. Direktive haben selbstverständlich keinen Wahrheitswert (»Setz dich hin!« ist weder wahr noch falsch), Wahrheitswert aber ist die Leitplanke bei propositionalen Verknüpfungen. Das

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