Der Implex
Problem ist nicht unlösbar – von Georg Henrik von Wright bis zur Computerlinguistik sind Lösungen skizziert, manchmal sehr detailliert ausgeführt worden; eine, die wir besonders gern haben, stammt von dem Logiker Ulrich Nortmann ( Deontische Logik ohne Paradoxien. Semantik und Logik des Normativen ) und funktioniert so, daß man die Direktiven einfach in Propositionen übersetzt, also etwa für »Handle so, daß x« etwas sagt wie »So handeln, daß x, ist gefordert« oder »ist erlaubt«, was allerdings nicht reicht, weil es sozusagen eine behavioristische Lösung für ein theoretisches Problem anbietet –, man muß darüber hinaus den Wahrheitswert durch einen »Gut/Schlecht«-Wert ersetzen, erst dann hat man den Kurzschluß vermieden, vor dem Hume warnt. Beides schlägt Nortmann vor, und führt es überzeugend durch.
Was uns daran gefällt, ist die gleichsam verdeckt genealogische Erinnerung daran, daß die Wahr/Falsch-Unterscheidung selbst über die Tatsache, daß Propositionen, wie vermittelt auch immer, (probe-)handlungsleitenden und -koordinierenden Charakter haben, normativer Natur ist – daran hatte sich ja auch Nietzsches Angriff auf »die Moral« entzündet, man kann das aber, anstatt es verurteilend zu gebrauchen, auch einfach konstatieren und in der Art Nortmanns operationalisieren. »Wie passen Normen in Schlußketten?« heißt ja genealogisch gewendet immer: Woher kommen sie, sind sie induktiv, angeboren, immanent, transzendent?
Nortmanns implizite Antwort darauf bedeutet dann: Wir setzen sie, weil wir einander als Leute erfahren, die sie setzen, das heißt: Die Trennung von Sein und Sollen ist eine, die im Sozialen immer wieder aufgehoben wird, weil man über das, was da passiert, jede Menge Propositionen formulieren kann, in denen vorkommt, daß Direktiven ausgegeben werden oder nicht, und jede Menge Direktiven, in denen vorkommt, daß Propositionen anerkannt werden oder nicht. Die nichtdirektive andere Seite der Normativität, das Evaluative, mag phylogenetisch sogar älter sein als die von ihm leicht zu abstrahierende Unterscheidung zwischen wahr und falsch (logisch sollte man letzterer aber, das hat die Linksscholastik um Ockham vorbereitet und spätestens Bacon plausibel begründet, den Primat zusprechen, sobald sie geschichtlich einmal erarbeitet ist).
Die Nortmannsche Ausarbeitung des Nexus ist uns, wie gesagt, ihrer Knappheit wegen sehr lieb; die anspruchsvollste der jüngeren Theoriegeschichte aber ist zweifellos das philosophische System des bekennenden Hegelianers Robert B. Brandom. Er spricht auch bei Propositionen von »normativen Status«, errichteten Bewertungen, und rekapituliert auf höherem Abstraktionsniveau, was dieses Kapitel zu zeigen versucht hat:
»Normen (im Sinne normativer Status) sind keine Gegenstände in der Kausalordnung. Die Naturwissenschaften, in denen es keine Kategorien der sozialen Praxis gibt, stoßen nie auf Festlegungen , wenn sie das Inventar der Welt katalogisieren; Festlegungen sind nicht von sich aus kausal wirksam (…). Trotzdem existieren (…) Normen, und ihre Existenz ist weder übernatürlich noch mysteriös. Indem sie in Begriffen normativer Einstellungen (also Hirnspeicherdaten, Gedächtnisleistungen, die abrufbar sind als Probe- oder überhaupt Handlungsprogramme, K/D) verstanden werden, die sehr wohl zur Kausalordnung gehören, werden normative Status domestiziert. Kausal wirksam ist, daß wir uns und einander praktisch als im Besitz von Festlegungen (als Festlegungen anerkennend und zuweisend) betrachten oder behandeln (…). Es muß dann gefragt werden, wie eine solche anscheinend reduktionistische Geschichte über Normen als instituiert durch soziale Praktiken mit der Behauptung eines irreduziblen normativen Charakters der Metasprache in Einklang zu bringen ist, in der die normen-instituierenden sozialen Praktiken spezifiziert werden. Die kurze Antwort lautet: Die Rede von deontischen Status kann weder durch die Rede von tatsächlich eingenommenen oder fallengelassenen deontischen Einstellungen ersetzt werden noch durch die Rede von Regelmäßigkeiten , die solche Akte des Einnehmens und Fallenlassens von deontischen Einstellungen aufweisen, noch durch die Rede von Dispositionen zu diesen Akten. Die Rede von deontischen Status kann generell nur gegen die Rede von Richtigkeiten eingetauscht werden, denen die Annahme und Änderung deontischer Einstellungen unterworfen ist – Richtigkeiten, die implizit (Hervorhebung der Autoren) in
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