Der Implex
Hexis geht) gewußten Zusammenhangs, dessen Veränderlichkeit nichts über seinen inferentiellen, zweck-mittel-relationalen oder auch nur wahrheitswertigen Status im Gesamtgesellschaftlichen verrät.
Eine Wissenschaftslehre, Metawissenschaft, Wissenschaftsphilosophie oder Wissenschaftslogistik, die sich für die Methodenkunde, die man seit Bacon entwickelt hat, nur interessiert, um sie als interessengeleitet oder metaphernverhext zu entlarven, mag gute Soziologie sein, aber was sie zeigt und beweist, sind Dinge, welche die Wissenschaft mit Scientology oder Briefmarkensammelei meist gemeinsam hat, und das Problem, das sich so eine Wissenschaftslehre damit aufhalst, ähnelt dem psychologisch ausgefuchster Biographien von geschichtswirksamen Figuren wie, siehe oben, Joseph Goebbels, bei deren Lektüre man sich ständig fragt, ob man nicht, statt sich etwas von den frühkindlichen Versagungserfahrungen des negativen Helden erzählen zu lassen, lieber etwas darüber erführe, was ihn von anderen Leuten, die doch vielleicht auch keine leichte Kindheit oder aus sonstigen Gründen mit narzißtischen Persönlichkeitsstörungen zu kämpfen hatten, unterschied und eben geschichtswirksam machte. Es geht hier nicht um (oder gegen) die Richtigkeit der jeweiligen Einzelresultate solcher science studies, auch nicht darum, daß sie uns zu simpel wären – die These »Was die Wissenschaftlerinnen treiben, ist eine soziale Konstruktion der Realität und hat viel mit dem weißen, männlichen, reichen, europäischen Weltzugang zu tun, aus dem sich das, was heute Wissenschaft heißt, entwickeln mußte« ist weder wesentlich einfacher noch komplexer als die Behauptung »Kluge Leute in Manchester und Schottland haben einander zutreffende Ansichten über Mechanik gestohlen, die sie ohne den Kapitalismus gar nicht erst hätten erwerben können«, unter dem Gesichtspunkt des Unterschieds zwischen Wissenschaft und, beispielsweise, christlicher Religion, die ja auch aus dem weißen, männlichen, reichen, europäischen Reagenzglas stammt, erfährt man aber von einem Forschungsprogramm, das der zweiten These nachgeht (wie dies etwa Joel Mokyr in seiner Studie The Enlightened Economy getan hat), erheblich mehr Aufschlußreiches und vor allem zu Gegenwartsdiagnose und Prognostik Ermächtigendes, allein schon deshalb, weil man der zweiten Behauptung gar nicht nachgehen kann, ohne sich wenigstens ein bißchen damit auseinanderzusetzen, was »zutreffende Aussagen« sind, was das Zutreffende an ihnen ausmacht und wie sie zustande kommen. Bevor der definitorischen Laxheit, die Kämpfer in den science wars flexibel genug fürs dort übliche Judo halten soll, auch noch die letzte schwache Ahnung von der einfachen Wahrheit geopfert wird, daß Wörter wie »Entdeckung« und »Erklärung« unter der autokorrektiven Dynamik der Neugier, deren Kanäle und Intensitätsstufen Bacon nun mal als erster umfassend beschrieben hat, mehr wurden als Feldzeichen der Rechthaberei, möchten wir deshalb wiederholen, daß man unter dem Einfluß auch noch so starker sozioepistemologischer Gezeitenkräfte nur das entdecken und erklären kann, was auch tatsächlich existiert und sich wenigstens irgendeinem wiederholbaren Augenschein nach so verhält, wie man es erklärt.
Leute, die selbst Naturwissenschaften treiben, wissen oft bestürzend wenig nicht nur vom Stand der Humanwissenschaften (das allein wäre zu verschmerzen), sondern auch von der Beschaffenheit und den Funktionsweisen der Gesellschaft, in der sie Naturwissenschaften treiben, und stehen deshalb der Sorte Wissenschaftslehre, deren mangelhafte Effektivität wir beklagen, im günstigsten Fall indifferent, im weniger günstigen, zur Verhärtung der Fronten beitragenden Fall hilflos ablehnend gegenüber – sie spüren vage, daß da an etwas gezweifelt, etwas untergraben wird, das ihnen wichtig ist, aber wenn sie versuchen, die gegnerische Partei zu packen, wird ihnen der Bescheid, man zweifle gar nicht daran, daß die Aussagen etwa der Quantenmechanik richtig seien, man zweifle nur daran, daß das, was Naturwissenschaftler »richtig« nennen, überhaupt die Sorte Geltung beanspruchen dürfe, die sie ihm einräumen, und wolle im übrigen nur erklären, wie die Ansichten der Naturwissenschaften über dies und das zustande gekommen seien, sich der Wertung, ob diese Ansichten etwas taugen, und wenn ja, was, also eigentlich züchtig enthalten, und sei so ein Erklärenwollen von Nichtbewertetem nicht das, was die
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