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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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neuen Kenntnisse, welche Kunstschaffende etwa zur Renaissancezeit, beim ersten Versuch der bürgerlichen Selbstemanzipation, plötzlich erwerben mußten, um Kunstschaffende sein zu können. Die moderne Spielart der Trennung von Hand- und Kopfarbeit, die für die Hierarchievermittlung auf kapitalistischer Klassengrundlage fast so wichtig ist wie die Trennung der Lohnabhängigen vom Zugriff auf die Produktionsmittel, wurde von jenen Kunstschaffenden so pionierskühn mitetabliert, wie sie heute die digitale Tagelöhnerei des total flexiblen neoliberalen Casting-Kasperletheaters avantgardistisch austesten. »Freiheit« als Möglichkeit der Entkopplung von Tausch- und Gebrauchswert ist das Schmiermittel, das die Kunstschaffenden mit ihrer Bedeutungsproduktion, mit der Herstellung von bekanntlich arbiträr mit ihren Signifikaten kombinierbaren Semiotica dem kapitalistischen Verwertungsprozeß zuschießen, und in der großräumigen Organisation ihrer Arbeit – also dem, was bei Adorno und Horkheimer »Kulturindustrie« heißt – läßt sich allerwege beobachten, wie die Befreiung der Menschen von der Arbeit, die der Maschinisierung, Verwissenschaftlichung, Industrialisierung implizit ist, immer wieder zu ihrer Versklavung umgewidmet wird.
     
    Man mag, wenn man sich diese drei Punkte vergegenwärtigt – wie Kunst mit Sinnlichkeit arbeitet, was für Subjekte sie voraussetzt und miterzeugt, wie sie Welt erkennt und zu deren sozialer Konstitution beiträgt –, vielleicht in Adornos Seufzer einstimmen, die Leute verrichteten unter kulturindustriellen Verhältnissen, welche die Künste an den Prozeß der Produktion, Akkumulation, Verwertung des Kapitals angeschlossen haben, der wiederum selbst heute, da das kaum noch sinnvoll erscheint, auf die Art und Weise um die Lohnarbeit oder ihre letzten verbliebenen Schatten zentriert ist, die wir im zweiten Kapitel beleuchtet haben, im Grunde sogar beim Vergnügen Arbeit, die Freizeit sei dem Kapitalverwertungsprozeß längst subsumiert – nur muß man dann freilich einsehen, daß das für Adornos kritische Tätigkeit oder das Webhosting im Dienste einer kommunistischen Kleingruppe erst recht gilt; verbeißt man sich auf solche abstrakten Allmachtsdiagnosen, fragt sich noch sehr, ob man das Antikapitalismus nennen soll oder schlicht reaktionär. Will die Kritische Theorie, wo sie gegen die industrielle und para-industrielle Beschaffenheit der jetzigen Künste wettert, Zunftwesen und Patronagesystem zurück, die ihre Produkte nicht auf dem Markt anbietende, sondern weisungsgebundene Künstlerin, soll, wie einige Übereifrige ja auch Marxens Rede von der Aufhebung der Arbeitsteilung mißverstanden haben, die ganze Ausdifferenzierung sozialer Subsysteme von Kunst bis Wissenschaft einfach einkassiert werden, auf mit dem gegenwärtigen, auch marxistischen Begriffsinstrumentarium schwer beschreibbare, im Grunde begriffslose, eigentlich mystische Weise?
     
    Das von theoretischen Anstrengungen wie der Luhmannschen, aber auch viel begrüßenswert fortschrittlicher Sozialtechnik selbst mitten im Kapitalismus genutzte Gute an der soziosemantischen Evolution, die uns besagte Ausdifferenzierung beschert hat, ist ja, daß durch die Scheidung der sozialen Subsysteme auch eine Vergleichbarkeit einsetzt, eine realistische Relativierung; das Leben wird vernünftiger und damit nach allen möglichen Seiten weniger hierarchisch. Das nimmt den Kunstschaffenden aber auch etwas von ihrer unbegriffenen, unbegreiflichen Souveränität (was sie nur vermissen, wo sie nicht einsehen wollen, daß die ohnehin scheinhaft war): Wo die Kunst an die Religion gebunden bleibt, und sei es mit dünnen Fäden, haben die Kunstschaffenden ein gewisses Deutungsmonopol über ihre Werke; noch Klopstocks Messias, Bachs Matthäuspassion zehren davon, daß darin implizit suggeriert ist, die beiden Urheber hätten Gott geschaut oder gehört auf eine Weise, die den Gläubigen nicht zukommt. Natürlich ist das Mumpitz und soll nicht nur Klopstock und Bach zur Geltung bringen, sondern auch die Geltung der Evangelien bestätigen, und da wird es auf eine Weise heikel, die man anders als durch die verschärfte Arbeitsteilung, die Luhmann Ausdifferenzierung nennt, schwer aus der Welt schaffen kann; die Vergleichbarkeit macht dann klar, daß Leute, die bestimmte (etwa religiöse) Haltungen besser illustrieren können als andere, deswegen noch nicht zuständig sind dafür, irgendein tatsächliches Wissen zu vermitteln. Man kann und sollte

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