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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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irgendeiner Überlegung geschuldet. Intellektuelle erinnern die Gesellschaft daran, daß sie großzügig sein sollte, weil sie dumpf spüren (und selten, aller berufsmäßigen Gescheitheit unbenommen, bewußt bedenken), daß Großzügigkeit mit Reichtum zu tun hat und ohne diese beiden auch das Intellektuellendasein, ja die ganze Arbeitsteilung nach Kopf- und Handarbeit und die sich an dieser festsaugenden Hierarchien schnell erledigt wären.
     
    Daß es überhaupt Weiße gegeben hat, die versucht haben, den Rassismus zu verstehen, und überhaupt Männer, die übers Geschlechterunglück, das daran haftende sexuelle, intellektuelle, juristische und politische Elend nicht nur einfühlsam gejammert, sondern auf seine Beschreibung und Vivisektion auch Hirnschmalz verwendet haben, ist vor diesem Hintergrund eher eine der seltenen positiven Nebenwirkungen der Binnenstruktur von Klassengesellschaften, die sich Intellektuelle leisten, als ein verläßlich auftretender, irgendwie berechenbarer Faktor des ideengeschichtlichen Strebens zum Höheren, von dem wiederum die Intellektuellen so gerne träumen.
    Immerhin: Es gab und gibt sie.
    Einer der Geschicktesten und Klügsten unter ihnen war der englisch-amerikanische Revolutionär Thomas Paine.
     
    Zwar heißt das Buch, in dem er für die Gleichheit der Seelen vor Recht und Gesetz focht, The rights of man , weil Paine noch ohne Winke von Gleichstellungsbeauftragten arbeiten mußte; in keeping with the spirit of the times schlägt sich die Unsitte, die Frauen zu übersehen, in diesem Titel zweifellos traurig deutlich nieder – das ist umso bedauerlicher, als der Verfasser sonst ein journalistisch untadeliges Empfinden für Buchtitel besaß, an denen die Epoche ablesen konnte, was ihr die Stunde geschlagen hatte: Common sense , The Age of Reason , The American Crisis . Paine gehört in die Geschichtsbücher als das (heute nicht nur in der historischen Literatur viel zu wenig bekannte und gerühmte) Hirn der antikolonialen nordamerikanischen Revolution, mal geschätzt, mal beargwöhnt von Jefferson (dem Mund jener Revolution) bis Washington (ihrer Faust), seine Pamphlete wurden bei den Freiheitstruppen zur Stärkung ihrer Kampfentschlossenheit verteilt, seine Arbeiten spannen den Bogen zwischen der korrekten Benennung mannigfaltiger taktischer Erfordernisse der jeweiligen revolutionären Situation einerseits und grundsätzlichen Erwägungen über Vernunft, Freiheit, Gerechtigkeit und Naturrecht andererseits. Zu den ethischen und intellektuellen Vorzügen, auf die er stolz sein konnte, gehörte auch, daß er sich als einer der entschiedensten und scharfsinnigsten Feinde der vorherrschenden Geschlechterapartheid Gehör verschaffte, die damals überhaupt zu finden waren.
     
    Das gelungenste Produkt dieser Haltung war sein 1775 veröffentlichter Occasional Letter on the female Sex . Der Text hätte, als Dokument wie als Kunststück der Rollenprosa, größere Bekanntheit verdient und wird auch von Leuten, die Paines Andenken hochhalten, kurioserweise mitunter geradezu versteckt – in der mit gehörigem Komplettistenanspruch edierten Ausgabe seiner Collected Writings , die 1955 in der verdienstvollen Reihe Library of America erschien, deren Bände vielfach die Standardressource akademischer Beschäftigung mit ihren Autorinnen und Autoren sind, findet man alle möglichen Epistel zu irgendwelchen Landreformstreitereien und Demokratieproblemen, der »gelegentliche Brief« aber fehlt. Die Argumente und Debattenformen mehrerer Jahrhunderte des Streits um die Frauenemanzipation werden darin vorweggenommen, und das auf literarisch gewandte Art: »Ich als Frau«, sagt Paine, bin in Beschwerdelaune und habe, im Zug einer immanenten Kritik, die noch nicht einmal die Geschlechterrollen an sich loswerden will, sondern bloß herauszuarbeiten wünscht, daß sie den Frauen Aufgaben zuweisen, die sie zugleich unmöglich machen, in aller Bescheidenheit folgende Fragen vorzutragen:
    »How great is your injustice? If we have an equal right with you to virtue, why should we not have an equal right to praise? The public esteem ought to wait upon merit. Our duties are different from yours, but they are not therefore less difficult to fulfill, or of less consequence to society: They are the fountains of your felicity, and the sweetness of life. We are wives and mothers. ’Tis we who form the union and the cordiality of families. ’Tis we who soften that savage rudeness which considers everything as due

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