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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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gewesen, nach dem von Stalin inspirierten Vorbild der deutschen KP in der Weimarer Zeit, die der SPD »Sozialfaschismus« vorwarf, mit polemischen Wortneuprägungen ins Gefecht um Stimmen und Mitglieder zu ziehen, sie hätte Casanovas Partei mindestens »Egalitätsimperialismus« oder »Humanitätskolonialismus« vorwerfen müssen.
II.
Subjektiver Haß und objektives Unrecht
    Rassistisch, kolonialistisch, imperialistisch – will man entscheiden, ob das harte Urteil des Arbeitervertreters (wenn schon nicht -erziehers) über seine Klientel wahr ist oder eine Verleumdung, muß man zunächst die Begriffe klären. Zwei der Attribute lassen sich entlang der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Geschichte vergleichsweise sauber definieren, das erste aber, »rassistisch«, lappt ins Mentalitätsgeschichtliche und bietet sich daher für Verwirrungen an wie die, in der etwa ein »Kapitalist« einfach – im Gegensatz zu einer Sozialistin – jemand ist, der an den Kapitalismus glaubt, ihn befürwortet, erhalten und bewahren oder in nichtkapitalistischen Gegenden erst noch durchsetzen will, anstatt einer, der über Kapitalbesitz verfügen kann.
    »Imperialistisch« nennt man unter Marxisten, denen der zitierte KPF-Mann ja wohl angehört, die (praktische oder, hier grenzt schon wieder Mentalitätsgeschichte an, ideologische) Teilhabe an der militärisch vermittelten Markteroberung durch kapitalistische Nationalstaaten zum Zeitpunkt des Übergangs der liberalen Konkurrenzwirtschaft zur finanzwirtschaftlich geprägten monopolistischen.
    »Kolonialistisch« nennt man (dies nicht nur unter Marxisten, sondern auch in den bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften) die (praktische oder ideologische) Teilhabe an der zum Zweck der Ausbeutungserleichterung organisierten Unterdrückung von Menschen, die nichteuropäische und nichtnordamerikanische Erdteile bewohnen, also den abermals militärisch vermittelten ungleichen Tausch zwischen kapitalistischen und nichtkapitalistischen (nach einem historischen Stufenschema: vorkapitalistischen) Gemeinwesen.
    Wenn Kolonialismus und Imperialismus also, wie von Casanova konstatiert, in der Arbeiterklasse Verankerung finden, dann kann einer wie er sich das nur so erklären, daß diese Klasse ihre eigene Unterdrückung und Ausbeutung leichter ertragen gelernt hat unter der Voraussetzung, daß die Kapitalisten die mittels Imperialismus und Kolonialismus erzielten Extraprofite in Teilen an die arbeitenden (und sogar die arbeitslosen) Besitzlosen weitergeben, etwa als höheres Lohnniveau, aufgestockte Sozialetats (die Extraprofite würden dann etwa zu einem gewissen Prozentsatz vom Staat als ideellem Gesamtkapitalisten eingesammelt und zur Ruhigstellung an die abhängigen Klassen im Innern der Zwingburg verteilt), lauter Schätzen mithin, welche die Arbeiterklasse andernfalls – wären sie nicht den Ärmeren anderswo abgepreßt und geraubt worden – durch riskanten Klassenkampf erstreiten müßte.
     
    Intuitiv – geschult also weniger in politikwissenschaftlichen Seminaren als im täglichen Hin und Her der Meinungen unserer pluralistischen Info-Öffentlichkeit des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts – wird man sich sträuben, den »Rassismus« als dritten der von Casanova beschworenen Dämonen ähnlich makrobehavioristisch als ein bestimmtes kollektives Verhalten, das klar zu umschreibenden Zwecken folgt und dabei funktionale Mittel gebraucht, also ganz ohne Rekurs auf Einstellungen, Haltungen, Psychologisches zu definieren. Imperialisten führen Kriege, Kolonialisten versklaven Bevölkerungen, Rassisten, ja, was tun die und warum? Sie können irgendwen nicht leiden, das meint man zu spüren, und darin, daß sie dieses Gefühl, das keinen Denkvorgang braucht, ja diese in sein Joch zu zwingen vermag, dieses Vor-Urteil ist das Üble an ihnen, während der Imperialist und der Kolonialist seine Sache auch ohne Haß, als Technokrat, Söldner, kühler Dezisionist vertreten und besorgen kann. »Rassismus« schmeckt nach Subjektivität, nach dem Hegelschen »schlechten Besonderen«, aber diese Intuition vergißt etwas: Den Rassismus ohne große subjektvivisektionistische Eingeweideleserei zu objektivieren, ist gar nicht so schwer, man muß nur die Expertise derer zum Sprechen bringen, die er meint, die er verfolgt, die seinen Effekten (und den Handlungsweisen, deren Effekt er wiederum selber immer war) gegen ihren Willen und Nutzen ausgesetzt sind. Was das ist, Rassismus, wissen die besser als die

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