Der Implex
der politische Islam angesehen werden muß.
Algerien beispielsweise, das Land, das die rechten und linken Franzosen, ihrer eigenen aufgeklärten und Menschenrechtstradition zum Spott, so miserabel behandelt hatten, fand sich 1992, ein Jahr nach der offiziellen Auflösung der Sowjetunion, am Rand eines Bürgerkriegs: Die islamische FIS stand vor der Machtübernahme, es gab gigantische Demonstrationen, der Ausnahmezustand wurde verhängt, Präsident Boudiaf wurde ermordet, die FIS schließlich gewaltsam aufgelöst. Die terroristische Politik der Islamisten in der Region setzt sich, wie anderswo, seither in immer neuen Permutationen, Eskalationen und dann wieder Abschwüngen fort, und wer auf ihnen sein Süppchen kocht, ist spätestens seit Frühjahr 2011 nicht einmal für den scharfäugigen Putin mehr hinreichend zu erkennen. Mit dem Angriff auf Libyen und den Irren, der dort soviel irrer als Bush Jr. anderswo auch wieder nicht regierte, starb das Völkerrecht der bürgerlichen Epoche, selbstverständlich, im Dienste von Demokratie (aber hat man in den USA nicht die Al-Gore-Stimmen unterschlagen?) und Menschenrechten (wer das glaubt, glaubt auch: England und Frankreich schicken ihre Atom-U-Boote übern Atlantik, bis die USA die Todesstrafe abschaffen). Daß es in Nordafrika starb, wie die Solidarität der Kommunisten mit den aus dem Kolonialismus Strebenden, ist nur allzu passend.
V.
Trübe Völker unterm Diktat der Handelserpressung
Der Verlust des einstigen Schutzherrn oder wenigstens Ansprechpartners hat den meisten Befreiungsbewegungen den politischen und sozialen, bei einigen der religiös engagierten auch den moralischen Rest gegeben (emanzipatorische Hoffnungen an so etwas wie die Hamas zu binden, ist nur unter logischen Verdrehungen und intellektuellen Selbstgeißelungen möglich, die noch die Bizarrerie der knotigsten Brezeln verstiegenster Apologetik aus dem Schatzkästlein der Sowjetgläubigen übertreffen müssen).
Seit dem Fall der Berliner Mauer 1989 sind einige der alten Brandherde des rassistischen Unrechts, der schmerzhaften Entkolonisierung und des Kampfes der abhängigen und sonstwie benachteiligten Staaten um das Recht auf eine eigene sozioökonomische und politische Entwicklung gelöscht oder vom Militärstiefel ausgetreten, nicht wenige aber brennen beschleunigt, viele schwelen trist vor sich hin. Vom befreiungsnationalistischen Streben ist vor allem viel völkischer Furor übriggeblieben, in den und um die failed states bringen die »trüben Völker«, von denen Hegel sprach, einander ums Leben.
Die USA haben in Panama und im Irak ehemals von ihnen gestützte Regimes beseitigt, um die Bedingungen für neue Arten der Großraumpolitik in eine für sie günstige Richtung zu treiben. China, das die ehemalige Kronkolonie Hongkong 1997 von den Briten zurückerhielt, versucht sein Glück mit einer dirigistisch-monopolistischen Kapitalismusvariante und einem dieser zugrunde gelegten, atemberaubend aggressiven Sorte Akkumulationsregime, um sein Staatseigentum zu schützen, die erste Mischung aus Mega-NÖP 48 und Stalinschen Industrialisierungsnöten; das einst so stolz blockfreie Indien spielt mit Pakistan Nord- und Südkorea und hält den Deckel mit Müh und Not auf ethnischen und religiösen Explosionen, die Jugoslawien (ein zu Systemkonfliktzeiten vom Westen in ausführlichen Gebeten gesegneter Kandidat für den dritten Weg) mit tatkräftiger Unterstützung westlicher Balkanordner den Garaus gemacht haben; ein paar antiimperialistische Bewegungen und Organisationen werden staatsfromm und arrangieren sich (so die Sandinisten in Nicaragua und die FMLN in El Salvador); Zaire konnte sich 1997 Mobutu vom Hals schaffen; Indonesien befreit sich ein Jahr später von Suharto, ohne daß deshalb für die Menschen in beiden Staaten goldene Zeitalter angebrochen wären; Südafrika wählt 1994 den vier Jahre zuvor aus der rassistischen Zwinghaft entlassenen Nelson Mandela zum Präsidenten; Israel bekommt ein verschärftes Intifadaproblem; Brasilien und Venezuela wählen paternalistische linke Politiker an die Macht. Der Marxsche wie Marcusesche Wunsch, ein neues Leben anzufangen, ohne mit dem Selbstmord zu beginnen, das heißt die Idee, es könnten vom Weltmarkt einerseits an die Kandare genommene, andererseits aber von vielen seiner schönsten Segnungen durch Handelserpressung ausgeschlossene Regionen einen eigenen Weg zu menschenwürdigen Wirtschafts- und Verwaltungsformen finden, sieht sich mal sanftem,
Weitere Kostenlose Bücher