Der Indianerlord
»Hast du den Wagen hierhergebracht, Willow?«
Der junge Mann nickte und starrte Skylar immer noch an. Dann wandte er sich zu Hawk und hob fragend die Brauen.
»Das ist Lady Douglas.«
»Oh?«
»Meine Frau. «
»Ah...« Willow musterte sie wieder, ohne sich für seine Missetat zu entschuldigen oder auch nur eine Erklärung abzugeben. »Wo steht die Truhe der Lady, Sam? Ich will sie holen, während Hawk und seine - eh -Frau essen. «
»Später helfe ich dir, den Sarg meines Vaters in den Wagen zu bringen«, versprach Hawk, legte eine Hand auf Skylars Schulter und führte sie zum Tisch. Die Indianerin servierte geschmortes Wildfleisch in schweren Holzschüsseln und eine Platte mit frischgebackenem Brot. Dabei ließ sie Hawk nicht aus den Augen. Aber er beachtete sie nicht und begann, heißhungrig zu essen.
Zunächst glaubte Skylar, der Leichengeruch hätte ihren Appetit verdorben. Aber da sie in den letzten beiden Tagen kaum einen Bissen zu sich genommen hatte, griff sie zu, und- das Wildfleisch schmeckte köstlich.
»Wann soll denn die Trauerfeier für Seine Lordschaft stattfinden, Hawk?« fragte Riley.
»Morgen abend.«
»Irgend jemand hat gesagt, eigentlich müsste er in Schottland begraben werden«, warf Sam ein, »in der großen Familiengruft.«
»Aber er wollte neben meiner Mutter bestattet werden«, erwiderte Hawk. »Und ich möchte seinen Wunsch erfüllen. Morgen Abend wird Reverend Mathews die Zeremonie vornehmen, ihr seid alle eingeladen. «
»Natürlich kommen wir«, versicherte Riley.
»Ein wunderbarer Mann, Seine Lordschaft ... « , meinte Sam betrübt.
»Haben Sie ihn gut gekannt, Lady Douglas«, erkundigte sich Riley höflich.
Hawk hörte abrupt zu essen auf und schaute sie an, während er seine Kaffeetasse in der Hand hielt, »Hast du ihn gut gekannt, meine Liebe?«
Ruhig und gelassen hielt sie seinem herausfordernden Blick stand. »Nun, jedenfalls gut genug, um über seine Krankheit Bescheid zu wissen, die er allen anderen Leuten verheimlicht hatte.«
»Welch eine tiefe Freundschaft ... « Nur Skylar hörte den sarkastischen Klang seiner Stimme. »Davon musst du mir unbedingt erzählen. Ich kann es kaum erwarten.«
»Obwohl es dir so schwer fällt, die Informationen zu akzeptieren, die du erhältst?« konterte sie honigsüß und beobachtete, wie Riley und Sam sich nervös anstarrten.
»Wie auch immer, ich werde herausfinden, was ich erfahren muss. Nun werde ich Willow helfen, den Sarg in den Wagen zu bringen. Danke, dass Sie meinen Pa beherbergt haben, Riley.«
»Für diesen wundervollen Mann hätte ich alles getan«, versicherte Riley wehmütig.
»In ein paar Minuten reisen wir weiter, Skylar. Mach dich bereit. «
Hawks Befehlston missfiel ihr, und sie würdigte ihn keiner Antwort. Aber er erwartete auch gar keine. Wenig später sah sie ihn mit Willows Hilfe den Sarg aus dem Haus tragen.
»Offensichtlich sprechen alle seine angriffslustigen >Indianer< ganz ausgezeichnet Englisch«, murmelte Skylar.
»Das stimmt nicht ganz, Lady Douglas«, erwiderte Sam. »Sicher, David hat einigen Verwandten seiner verstorbenen Frau Englisch beigebracht. Und ein paar Indianer wollen die Sprache des weißen Mannes lernen, damit sie sich besser verteidigen können. Aber längst nicht alle ... Willow wohnt in der Nähe von Mayfair, und er hat eine süße kleine Tochter - ein Halbblut. Doch die beiden anderen Oglalas, die Hawk an jenem Tag begleitet haben, wollen nichts von den Weißen wissen, weder von ihrer Lebensart noch von der Sprache. Noch was sollten Sie bedenken, Ma'am - viele Sioux finden nichts dabei, wenn sie mit einem weißen Mann Handel treiben und ihm am nächsten Tag den Krieg erklären. Leider leben wir in gefährlichen Zeiten. Passen Sie gut auf sich auf.«
»Danke für die Warnung.«
»Jetzt sollten wir Sie hinausbegleiten, Lady Douglas«, meinte Riley besorgt. »Ich glaube, Hawk wartet schon auf Sie.«
»Und Hawk kann keine Sekunde lang warten, nicht. wahr?« entgegnete Skylar ironisch.
»Natürlich möchte er seinen Vater möglichst bald heimbringen. « Sie nickte und bereute, dass sie den beiden alten Männern Unbehagen bereitet hatte. Obwohl sie bei jener grausamen Farce mitgespielt hatten, gefielen sie ihr. Außerdem schienen sie aufrichtig zu bedauern, was ihr widerfahren war, und sie würde in dieser Wildnis nur wenige Freunde finden. »Gut, dann gehe ich jetzt.«
Sie folgten ihr zum Wagen hinaus. Auf der Ladefläche saß Wolf zwischen ihrer Truhe und dem Sarg, den er
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