Der Indianerlord
Perserteppich. Ein orientalischer Paravent: schirmte den Waschtisch ab. Zu beiden Seiten des Marmorkamins mit dem vergoldeten Sims erhellten bronzene Wandleuchter den Raum. Vor dem Feuer dampfte eine Wanne, über einem Gestell hingen Badetücher. Zwei hohe Schränke und ein Toilettentisch aus Kirschbaumholz vervollständigten die Einrichtung.
Ungläubig schaute sie sich um. Soviel Luxus am Ende der zivilisierten Welt ...
»Sind Sie zufrieden, Mylady?« fragte Sandra höflich.
»O ja.«
Es klopfte an der Tür, und Two Feathers schleppte die Reisetruhe herein. »Wohin soll ich Ihr Gepäck stellen, Lady Douglas?«
»Einfach auf den Boden«, antwortete Skylar lachend. »Diese Truhe ist sicher sehr schwer.«
»Keineswegs!« widersprach er indigniert, aber er gehorchte. »Wenn wir gewusst hätten, dass Sie kommen würden, wären wir besser vorbereitet.«
»Alles ist in Ordnung.«
»Leider hatte Hawk keine Ahnung.«
»Nun, die Situation war etwas verwirrend ... « Sie glaubte Sandra spöttisch seufzen zu hören. Aber als sie sich umdrehte, kehrte ihr die exotische Schönheit den Rücken, packte Two Feathers am Arm und zog ihn aus dem Zimmer.
»Neben dem Bett finden Sie eine Glocke, Lady Douglas. « In dieser Anrede schwang ein schmerzlicher Unterton mit. »Bitte, läuten Sie, wenn Sie hinuntergehen möchten.«
Verblüfft starrte Skylar ihr nach. Welche Rolle mochte das Mädchen auf Mayfair spielen?
Die beiden verließen das Zimmer, schlossen die Tür, und sie ging zum Kamin. Die Augen geschlossen, erinnerte sie sich an jenen anderen Raum im Pike's Inn, wo sie mit Lord Douglas am Tisch gesessen hatte. Sie war in Eile gewesen. So schnell wie möglich musste sie fliehen. Doch sie konnte nicht einfach davonlaufen, und ihr alter Freund forderte sie auf, ihm ihr Herz auszuschütten. Danach nickte er seufzend. »Ich habe Sie schon vorher aufgefordert, mich nach Westen zu begleiten ... «
»Unmöglich! Wenn uns jemand unterwegs auflauern würde, könnte man Sie zur Verantwortung ziehen.«
»Dieses Risiko gehe ich ein. Und ich besitze einen gewissen Einfluß, junge Dame. Ich bin Lord Douglas. Obwohl die Amerikaner den Freiheitskrieg gewonnen haben, lassen sich die meisten immer noch von britischen Adelstiteln beeindrucken. Außerdem brauche ich Ihre Hilfe ebenso wie Sie die meine, Skylar. Wie es um meine Gesundheit steht, wissen Sie. Ändern Sie Ihren Namen, ändern Sie Ihr Leben. jetzt haben Sie ohnehin keine Wahl mehr Wir arrangieren eine Heirat, und Sie kommen mit mir. Nur keine Angst.«
»Aber - die Gefahren im Indianergebiet ... «
»Sicher, da gibt's ein paar Indianer. An die werden Sie sich gewöhnen und einige sogar in Ihr Herz schließen. Wenn diese habgierigen Kerle in Washington die Verträge einhalten würden, könnten wir alle in Frieden zusammenleben. Bitte, Skylar, stimmen Sie meinem Vorschlag zu. Wohin wollen Sie denn sonst gehen? Mayfair, mein schönes Heim, wird Ihnen gefallen. Und mit der Zeit werden Sie es ebenso liebgewinnen wie ich. Allzu lange bleibe ich nicht mehr bei Ihnen ... «
»Sprechen Sie nicht so, Lord Douglas!«
»Mein Herz ist schwach und krank. Das habe ich bereits akzeptiert, und die Ärzte machen mir keine Hoffnung mehr. Weinen Sie nicht, Skylar! Sie haben mir meine letzten Tage versüßt. Und die Gewissheit, dass Sie nach Mayfair reisen werden, mit mir oder ohne mich, erleichtert mir den Abschied von dieser Welt.- Mein Haus soll Ihr Heim sein, und Sie werden* es lieben ... «
Ihr Heim ... Lord Douglas' Worte schienen von den Wänden widerzuhallen, während sie sich nun in- dem schönen Schlafzimmer umblickte. »Ja, ich liebe Mayfair«, flüsterte sie lächelnd. »Obwohl du mich hereingelegt, hast, du alter Schurke. Auch in einem Punkt muss ich dir,. recht geben. Hier gibt's tatsächlich ein paar Indianer.«
Eigentlich hatte er sie nie belogen und nur verschwiegen, wer bei jener überstürzten Ferntrauung ihr Ehemann geworden war. Und einer dieser Indianer erwartet
sie jetzt im Erdgeschoß, wütend und ungeduldig.
Sie verriegelte die Tür, dann zog sie sich aus und stie in die Badewanne. Das warme Wasser entspannte ih verkrampften Muskeln.
Bald musste sie ihrem Ehemann widerwillig Rede und Antwort stehen. Sie würde auf keinen Fall in den Osten zurückkehren, das musste er verstehen. Und sie durfte keinen Fehlschlag erleiden. So weit war sie schon gekommen. Nun brauchte sie Geld, das sie telegrafisch nach Baltimore schicken würde. O Gott, hoffentlich war daheim alles in
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