Der Indianerlord
Indianer wissen nur zu gut, wie begierig die Amerikaner nach dem Goldstaub lechzen.«
»Und Lord Douglas konnte all die Jahre hier leben, unbehelligt von den Sioux?«
»Zunächst wohnte er bei den Oglalas, dann ging er nach Schottland. Nach seiner Rückkehr baute er Mayfair - unbehelligt.« Unsicher suchte er nach erklärende
Worten. »Mein Volk erwartet von einem Mann, dass er seinem Weg folgt. Um seiner Überzeugung treu zu bleiben, hält sich Crazy Horse von den Weißen fern. Aber er schüttelte seinem Freund Young-Man-Afraid die Hand, als dieser ein Indianer-Agent im Dienst der Amerikaner wurde. Nun setzt sich Young-Man-Afraid für Red Clouds Politik ein. Denn jeder Mann folgt seinem Weg.«
»Young-Man-Afraid? Was für ein interessanter Name! Ist er ein Angsthase?«
»Keineswegs«, entgegnete Willow lachend. »Aber seine Feinde fürchten die Hufschläge seines Pferdes.«
»Oh ... «
»Ich wohne in einem Holzhaus beim Minencamp. Und meine Brüder sind nach Westen gegangen, zu Crazy Horse. Trotz der Trennung bleiben wir verbunden.«
»Sicher ist das alles sehr schwierig.«
»Ja, natürlich. Viele Indianer sehen in ihren Träumen die Zukunft, ein Blutbad ... « Abrupt verstummte er, als hätte er bereits zu viel gesagt, und stieg vom Kutschbock. »Jetzt werde ich Sie ins Haus bringen. Hawk erwartet Sie schon.«
Aufgeregt begann Wolf zu bellen und sprang aus dem Wagen. Sobald Skylars Füße den Boden berührten, tauchten drei Männer aus den nächtlichen Schatten auf, und Willow stellte sie ihr vor. »Lady Douglas, das ist Jack Logan, der die Rinderherde hütet«, erklärte er und zeigte auf einen hochgewachsenen, kräftigen Weißen, der an seinen Hut tippte. »Rabbit hilft ihm«, fuhr er fort, und der Indianer, ebenso groß und muskulös, nickte ihr zu. »Und dieser kleine Bursche mit den Zahnlücken heißt Two Feathers.« Der Indianerjunge schenkte ihr ein freundliches Lächeln, das sie erwiderte.
»Eigentlich haben wir hier draußen keine Lady erwartet«, gestand Jack Logan verlegen und betrachtete den Sarg, der auf der Ladefläche des Wagens stand. »Nur die Heimkehr Seiner Lordschaft ... Aber wenn Sie was brauchen, Lady Douglas - kommen Sie zu uns.«
»Danke.«
»Gehen Sie jetzt ins Haus, Ma'am. Wir tragen Seine Lordschaft hinein.«
Höflich bot Willow ihr den Arm und geleitete sie die Verandastufen hinauf. Vor der reichgeschnitzten, massiven Tür blieb sie verwundert stehen. »Dieses Holz stammt aus Schottland. So wie viele andere Dinge. Das alles wurde von Dampfschiffen und der Bahn in den Westen befördert, dann von Planwagen durch feindliches Gebiet.«
In diesem Augenblick schwang die Tür auf, und Hawks Stimme erklang. »Kommt herein!«
Erstaunt betrat Skylar den Marmorboden der schönen großen Halle. Im Hintergrund führte eine geschwungene Treppe nach oben. Ihr Mann hatte sich inzwischen umgezogen. Nun trug er einen schwarzen Gehrock mit passender Hose und einem blütenweißen Rüschenhemd - ganz der vornehme Herr eines feudalen Hauses.
Er schaute über ihre Schulter und beobachtete, wie der Sarg in die Halle gebracht wurde. Dann rief er: »Sandra!« Zur Linken öffnete sich eine Tür Eine exotische junge Frau in einem schlichten Kattunkleid eilte heraus, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Neugierig starrte sie die weiße Lady an und wurde ebenso interessiert gemustert. Skylar hatte noch nie eine so fremdartige und so schöne Frau gesehen. In ihren Adern schien nicht nur indianisches, sondern auch orientalisches und europäisches Blut zu fließen. Schimmerndes blauschwarzes Haar fiel auf ihre Schultern und umrahmte ein faszinierendes herzförmiges Gesicht.
»Zeig Lady Douglas ihr Zimmer, Sandra«, befahl Hawk.
»Wenn Sie mir folgen würden, Mylady ... «
»Ich lasse dein Gepäck hinaufbringen, Skylar«, fügte Hawk hinzu, »und Sandra versorgt dich mit allem, was du brauchst. Sobald du dich häuslich niedergelassen hast, wird dich jemand nach unten führen.«
»Wie du wünschst«, murmelte sie.
»O nein, wie du wünschst.« Spöttisch verneigte er sich, und sie spürte seinen Blick im Rücken, während sie hinter dem Mädchen die Treppe hinaufstieg.
»Hier, Lady Douglas ... «
Skylar betrat ein elegantes Schlafzimmer mit einer gläsernen Balkontür. In der Mitte stand ein riesiges Himmelbett, geschmückt mit geschnitzten Drachenklauen und -flügeln.
Die Tagesdecke aus rotgrünem Brokat zeigte Jagdszenen. Auf dem blankpolierten Holzboden lag ein rotgemusterter
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