Der Indianerlord
hast deinen Vater nach christlicher Sitte begraben.«
»Weil er ein Christ war.«
»Und du?«
»Im Kreis der Weißen bin ich ein Christ. Und ich glaube an ein höheres Wesen. Man mag es Gott nennen oder Wakantanka, und alle Menschen wurden von ihm erschaffen, ganz egal, wie ihre Hautfarbe aussieht. Wenn man die Schönheit der Erde betrachtet, muss man doch an einen Gott glauben, nicht wahr?«
»Zweifellos. Und an die Macht des Guten - und des Bösen.«
»Himmel und Hölle?«
Skylar nickte. »In den Herzen der Menschen, die Gott geschaffen hat, lebt auch das Böse.«
»Du sprichst von Indianern?«
»Und von Weißen.«
»Oh! Ausnahmsweise sind wir einer Meinung.«
Sie lächelte ihn an, und das Grauen der letzten Nacht schien in weite Ferne zu rücken.
»Für die Sioux ist Wakantanka das große Geheimnis-«, fuhr er fort.' »Aber es gibt noch andere Götter - ziemlich zwiespältige Gestalten.«
»Tatsächlich?«
»Vier Götter sind Wakantanka untergeordnet - Inyan, der Felsen; Maka, die Erde; Skan, der Himmel, und Wi, die Sonne. Und jeder erfüllt eine besondere Aufgabe. Sie haben Verbündete - zu Wi gehört Hanwi, der Mond, zu Skan Tate, der Himmel, zur Erde Whope, die Tochter der Sonne und des Monds, die Schöne genannt. Und Wakinyan, der Geflügelte, der wie der Donner brüllt und blitzende Augen besitzt, ist mit Inyan, dem Felsen, verbündet. Ergibt das einen Sinn?«
»O ja.« Fasziniert betrachtete Skylar das schöne Land ringsum und schaute zum Himmel hinauf. »Welch eine Welt!«
»Viele Sioux glauben, sie würden die Welt besitzen den Himmel, die Sonne, die Erde und die Schönheit des Landes ringsum.«
»Und nun werden sie dieses Land verlieren?«
Hawk nickte wortlos.
»Aber wenn man ein Abkommen schließt ... «
»So viele Vereinbarungen wurden schon getroffen, und keine war das Papier wert, auf dem sie stand. Gewiß, die Indianer haben Greueltaten in den Siedlungen der Weißen begangen. Und von den Weißen wurden sie ebenso grausam behandelt. Manchmal fragt man sich, ob es wirklich einen Gott gibt, der dies alles mit ansieht. Ich persönlich glaube, dass eine furchtbare Tragödie über uns hereinbrechen wird, ehe eine weitere sogenannte >Übereinkunft< zustande kommt. Deshalb reite ich mit Sloan hierher, um ein allzu schlimmes Blutvergießen zu verhindern. Mehr können wir nicht tun.« Wehmütig lächelte er ihr zu. Dann spornte er Tor an und ritt seinem Freund nach.
Als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen' band Skylar das Maultier an einem Baum fest. Trotzdem versuchte es, sich zu wehren. Aber Skylar gewann die Oberhand, lud das Gepäck ab und kochte Kaffee, während sich die Männer um die kleine Rinderherde kümmerten. Später half sie Willow, das Essen vorzubereiten. An diesem Abend waren sie nicht zur Jagd gegangen, also begnügten sie sich mit dem Proviant, den Meggie eingepackt hatte - Schinken, Bohnen und Maisbrötchen.
Während der Mahlzeit hielten Hawk und Sloan abwechselnd Wache, mit Messern und Colts bewaffnet.
»Glaubst du, dass immer noch Crow in unserer Nähe sind, Hawk?« fragte Skylar und versuchte ihre Nervosität zu verbergen.
»Jetzt nicht mehr. « Er setzte sich zu ihr, und Sloan stand auf. An einen Baumstamm gelehnt, starrte er in die Nacht. »Jetzt sind wir schon so nahe an Crazy Horses Leute herangekommen, und normalerweise weichen die Crow einem so großen Sioux-Lager aus.«
»O Gott, das alles ist so verwirrend. Manche Indianer verstehen einander - andere nicht. Weil Crazy Horse die Weißen hasst , lässt er sich nicht auf Verhandlungen mit den Vertretern der Regierungsstellen ein. Aber ihr beide könnt ihn unbehelligt aufsuchen, obwohl in euren Adern das Blut weißer Menschen fließt.«
Die Freunde wechselten einen Blick, und Skylar erkannte, dass es Dinge gab, die sie niemals verstehen würde.
Trotzdem versuchte Hawk zu erklären: »Bei den Sioux ist jeder Mann eine individuelle Persönlichkeit. Er muss seinem Weg folgen. Und keiner darf ihm sagen, wohin dieser Weg führen soll.«
»Also kann jeder tun, was er will?«
Hawk schüttelte den Kopf. »Meistens wollen die Männer und Frauen nach gewissen Regeln leben. In unserer Gesellschaft gibt es vier große Tugenden, die wir anstreben - Tapferkeit, Stärke, Großzügigkeit und Weisheit.«
»Und dies sind die Tugenden, die uns in all den Jahren halfen, am Leben zu bleiben«, ergänzte Willow.
»Natürlich muss jeder Krieger Tapferkeit beweisen«, betonte Hawk, »sein Heim verteidigen, erfolgreich zur
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