Der Indianerlord
so - wild aus.«
»Sicher wird er dir nichts antun.«
»Das habe ich auch gar nicht befürchtet. Aber - ich verstehe seine Sprache nicht. Musst du wirklich gehen?«
»Seit wann legst du so großen Wert auf meine Gesellschaft?« fragte er lachend. '
»Oh - ich ... « Sie errötete verlegen.
»Keine Bange, du wirst es schon schaffen.«
Einladend wies der alte Mann auf die Zeltklappe. Hawk schob sie hindurch, folgte ihr aber nicht. Also musste sie selber sehen, wie sie zurechtkam. Unbehaglich blickte sie sich um.
In der Mitte des großen Wigwams saß eine weißhaarige alte Indianerin und bestickte eine gebleichte weiße Rehhaut mit türkisblauem Garn. Vielleicht sollte das ein Kleid werden, so wie es die meisten Frauen hier trugen. Sie hob den Kopf und nickte, als hätte sie Skylar erwartet, deren Ankunft sie weder zu erschrecken noch zu überraschen schien.
Neben der Greisin kauerten Kinder - ein elf- bis zwölfjähriges Mädchen, ein junge von etwa acht Jahren und drei kleinere Kinder. In einer Wiege lag ein Baby
Das ältere Mädchen lächelte Skylar schüchtern an und ging zu ihr, gefolgt von den anderen. Als sie sich bückte, sprangen alle an ihr hoch. Lachend fiel sie zu Boden, und nachdem sie sich eine Weile gebalgt hatten, begann das Mädchen in der Sioux-Sprache zu sprechen. Sie machte' dabei eine Trink-Bewegung - eine Geste, die Skylar nicht missverstehen konnte. Sie setzte sich auf. »Ja, Wasser bitte.«
Nun betrat Hawks Großvater das Zelt und beobachtete sie mit dunklen, unergründlichen Augen. Sein Gesicht war vom Alter, von Wind und Wetter gefurcht. Sie trank aus dem ausgehöhlten Kürbis, den das Mädchen ihr gereicht hatte, und bedankte sich. Dann fand ein kleineres Kind einen Schildpattkamm in ihrer Rocktasche, und sie zeigte ihm, was man damit machte.
Sie strich mit dem Kamm durch das feine schwarze Haar und hielt ihn dem Kind hin, das sie mit großen, mandelförmigen Augen anschaute. Plötzlich stockte ihr Atem. Denn sie erinnerte sich an die weißen Soldaten, die solche schönen, unschuldigen Kinder getötet hatten. Sie erschauerte unwillkürlich, wandte sich wieder zu dem alten Krieger und gewann den Eindruck, er würde ihre Gedanken erraten. Stimmte diese Vermutung? Offensichtlich. Sein Lächeln schien es zu bestätigen.
Leise begann die alte Frau, mit ihm zu reden.
»Deer Woman möchte dich fragen, ob du hungrig bist«, erklärte er, »doch sie spricht deine Sprache nicht.«
»Nein, danke, ich ... « Erstaunt verstummte Skylar. Hawks Großvater sprach sehr gut Englisch. Nachdem sie sich von ihrer Verblüffung erholt hatte, überlegte sie, es wäre unhöflich, das Angebot abzulehnen. »Vielleicht ein bisschen. Aber wenn es Umstände macht ... «
Ihre Stimme erstarb, als die alte Indianerin das Zelt verließ. Wenig später kehrte sie mit einer Schüssel voller Fleisch in dicker Sauce zurück. Skylar dankte ihr, kostete das Gericht und hoffte, man würde ihr nichts anmerken, wenn sie es angewidert hinunterwürgen müsste.
Aber es schmeckte köstlich. Während sie aß, beobachtete sie, wie die Kinder mit dem Schildpattkamm spielten. Der Großvater setzte sich ans Feuer. »Wie ich höre, sind deine Füße wund.«
»Oh, das ist nicht schlimm.«
»Deer Woman hat eine Salbe für dich.«
Nach dem Essen zog sie Stiefel und Strümpfe aus. Vorsichtig bestrich die alte Frau Skylars Sohlen mit der Salbe.
»Du kommst aus dem Osten?« fragte der Großvater.
»Ja.«
»Und du bist mit Hawk verheiratet?«
»Ja.«
»Wie ist es dazu gekommen?«
»Ich - habe im Osten seinen Vater kennengelernt.«
Der alte Krieger nickte. Offenbar genügte ihm diese Erklärung, die niemand anderer verstand. »Also hat David dich für Hawk gefunden.«
»Eh - ja.«
»Was hältst du von uns?« erkundigte er sich lächelnd. Seine unverblümte Frage überrumpelte Skylar. »Das - kann ich noch nicht sagen. Ich bin eben erst hierhergekommen, und ich will versuchen, mich möglichst schnell einzuleben. Aber ich glaube, mit den Kindern habe ich mich sofort verstanden.«
»Sehr gut - ich bin ihr Urgroßvater. Vier gehören Pretty Bird, Hawks Kusine; Ice Ravens und Blades Schwester Und zwei stammen von Red Fox, der im Kampf gefallen ist.«
»Oh, tut mir leid ... «
»Danke. Nun, was hältst du von uns.«
»Natürlich muss ich noch viel lernen. Nur eins weiß ich schon jetzt - die Sioux sind tapfer, stark, großzügig und weise. Hoffentlich seid ihr auch zu mir großzügig. « Nach einer kurzen Pause fragte sie
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