Der Indianerlord
Jagd gehen und seine Feinde herausfordern - so wie du gestern abend diesen Crow-Krieger.«
»Was meinst du?« fragte Skylar.
»Du - eine Frau - hast ihn geschlagen und gedemütigt. Darüber sprachen die Crow, während sie dich gefangenhielten und am Lagerfeuer saßen. Sloan und ich belauschten sie. In einer Schlacht ist es viel mutiger, den Feind direkt anzugreifen, als aus der Ferne auf ihn zu schießen.«
»Bei den Weißen ist es umgekehrt«, bemerkte Sloan. »Ein Army-Offiziere beweist seine Fähigkeiten, indem er möglichst viele Feinde auf einmal tötet. Und das schafft er nur, weil er sie aus der Ferne angreift. Um in unserer Gesellschaftsordnung Ruhm und Ansehen zu gewinnen, muss man große Siege erringen.«
Hawk seufzte. »Und deshalb möchte Autie Custer die Sioux besiegen, weil er Präsident der Vereinigten Staaten werden will - der große weiße Vater. Nur aus diesem Grund hält er sich an die Abkommen, die er mit seinen Crow-Späher geschlossen hat.«
»Ein Sioux braucht keinen großen Sieg«, sagte Sloan, »aber er muss stets ein tapferes Leben führen.«
»Und jeder Krieger kann den Kriegspfad wählen«, fügte Willow hinzu. »Den anderen steht es frei, ihm zu folgen - oder auch nicht. Aber bei wichtigen Jagden oder Schlachten müssen die Akicitas die jüngeren Krieger kontrollieren, die mit ihrer Ungeduld den Feind oder den Büffel zu früh alarmieren könnten.«
»Die Akicitas?« fragte Skylar.
»Das sind indianische Polizisten«, erklärte Hawk.
» ... die ihre Fahnen nach dem Wind drehen«, fügte Sloan hinzu.
»Das verstehe ich nicht«, seufzte sie.
»Man wählt sie aus verschiedenen Kriegerverbänden aus, so dass keiner allzuviel Kontrolle über den anderen hat«, sagte Hawk.
»Das klingt doch sehr demokratisch«, meinte sie lächelnd.
»Nun, wir leben in einer freien Gesellschaft. Crazy Horses Krieger scharen sich aus eigenem Antrieb um ihn, während die Soldaten der weißen Generäle gehorchen müssen – ob‘s ihnen passt oder nicht. Wenn Sloan und ich hierherkommen, dann nicht als Weiße, obwohl wir in der Welt weißer Menschen leben.«
»Und was bin ich?« fragte Skylar.
Gleichmütig zuckte Hawk die Achseln. »Mein Eigentum.«
»Das meinst du nicht ernst ... «
»Aber der Wigwam wird Ihnen gehören, Skylar«, versprach Sloan grinsend.
»Erst muss sie ihn aufbauen«, gab Hawk zu bedenken. »Und sie darf nicht vergessen, welchen Platz die Frauen einnehmen. Erst bedienen sie ihre Männer, dann dürfen sie selber essen.«
»Was?« fauchte sie.
»Und sei bloß vorsichtig! Viele Sioux stehlen anderen Kriegern die Ehefrauen.«
»Sogar Crazy Horse hat das einmal gewagt«, erzählte Sloan. »Deshalb wurde ihm ins Gesicht geschossen. Glücklicherweise suchte seine Familie keine Vergeltung, sonst wäre ein gewaltiger Krieg ausgebrochen.«
»Und Black Shawl - der Frau, die er ihrem Mann No Water entführte - ist auch nichts passiert«, bemerkte Hawk und lächelte Skylar an. »Eigentlich hätte man ihr die Nase abschneiden müssen.«
Nun hatte sie genug gehört. Erbost stand sie auf und -eilte zum Bach, an dem sie das Lager aufgeschlagen hatten.
»Skylar!« rief Hawk ihr nach.
Doch sie ignorierte ihn. In ihren warmen Umhang gehüllt, ging sie am Ufer entlang. Ein silberner Mond beleuchtete den Weg und spiegelte sich in funkelnden Wellen.
Das ist nicht meine Welt, dachte sie wütend. Oh, zum Teufel mit Hawk ...
Sie setzte sich an den Wasserrand, wusch ihr Gesicht, kühlte ihre erhitzten Wangen.
Warum war sie in so heftigen Zorn geraten? Sicher hatten die Männer nur die Wahrheit erzählt. Aber in welchem Ton - so spöttisch ... Würde Hawk denn niemals aufhören, sie herauszufordern? Konnte er ihr nicht verzeihen, was sie nach seiner Meinung verbrochen hatte?
Plötzlich fiel ein Schatten auf die gleißenden Wellen, und sie sprang entsetzt auf. Waren die Crow schon wieder herangeschlichen?
»Skylar!«
Erleichtert drehte sie sich um. Hawk war ihr gefolgt. Offenbar konnte er seinen Zorn nur mühsam bezähmen.
»Du kannst nicht ständig davonlaufen.«
»Aber ich sah keinen Grund, noch länger bei euch zu bleiben.«
An der Sioux-Gesellschaft herrschen nun einmal gewisse Gesetze, und du musst den Tatsachen ins Auge blicken.«
»Leider weiß ich nicht, wie man einen Wigwam aufbaut«, zischte sie.
»Wir werden im Zelt meines Großvaters wohnen«, erklärte er und streckte seine Hand aus. »Komm jetzt, gehen wir ins Lager.«
Aber sie wich zurück. »Wie gut, dass ich keine
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