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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sehen. Die Behausung stand nicht mehr, doch Roshni war nichts zugestoßen. Die beiden umarmten sich erleichtert. Nachdem Uma der Älteren berichtet hatte, was geschehen war und wo sie den Prinzen vermutete, waren sie gemeinsam zu der Höhle gelaufen. Roshni hatte draußen Wache gehalten, während Uma sich hineinwagte. Und da hatte er gelegen wie ein dickes Kind, mit einem friedlichen Lächeln auf den Lippen und einer fürstlichen Beule am Kopf. Zuerst hatte Uma geglaubt, der Prinz sei tot. Da sie sich nicht traute, ihn zu berühren, schöpfte sie mit den Händen Wasser aus einer Pfütze und goss es ihm über die Stirn. Er erwachte.
    Ihm sowie den Gefolgsleuten, die sie wenig später auf sich aufmerksam machten, erklärten sie mit Händen und Füßen, sie hätten den Prinzen zufällig gefunden und nicht etwa versucht, ihn zu entführen. Dennoch bedurfte es der mehrmaligen Aufforderung des jungen Thronfolgers, bis die Wachen Uma und Roshni losließen. Der Prinz legte seine Version der Ereignisse dar und sorgte dafür, dass seine Retterin und die Alte, die ihr nicht von der Seite wich, im Palast untergebracht wurden, obwohl auch er anfangs glaubte, es müsse sich bei den beiden verwahrlosten Gestalten entweder um mystische Waldwesen oder aber um Unberührbare handeln. Er war sichtlich beruhigt, als Uma ihm versicherte, ihn nicht angetastet zu haben. Dass sie das Wasser, das seinen majestätischen Körper zum Leben erweckt hatte, mit bloßen Händen und nicht etwa mit einer Schöpfkelle genommen hatte, ignorierten beide geflissentlich. Der Prinz hatte nicht die geringste Lust, sich einem hochkomplizierten, mehrere Tage andauernden Reinigungsritual auszusetzen.
    »Nun?«, vernahm Uma die Stimme der Maharani.
    »Ich …«, stotterte Uma, »… bin sprachlos.« Das zumindest entsprach der Wahrheit.
    »Ihr seid also einverstanden?«, fragte der Maharadscha.
    Uma hatte keine Ahnung, worum es ging. Sie war einen Augenblick so in Gedanken versunken gewesen, dass ihr das Wichtigste entgangen war.
    Ihr fiel nichts anderes ein, als den Kopf zu rollen und eine bescheidene Miene aufzusetzen. Hatte man ihr eine großzügige Belohnung angeboten? Oder hatte man sie als Lügnerin entlarvt und sie aufgefordert, unverzüglich den Palast zu verlassen?
    Der Zeremonienmeister starb tausend Tode. Dieses Weibsstück erdreistete sich, zu feilschen! Man bot ihr und ihrer angeblichen Schwiegermutter eine glänzende Zukunft an, und sie hatte die Stirn, noch mehr zu fordern! Es war ein Schauspiel, das seiner und all seiner Grundsätze nicht würdig war. Wenn diese Person damit durchkam, würde er seine Entlassung erbitten.
    Da mischte sich plötzlich der Prinz ein. Er fuchtelte wie wild mit seinen speckigen Armen, verdrehte die Augen und hielt seinen Eltern eine sehr eindringliche Rede, die diese zu überzeugen schien.
    »Unser Sohn hat recht«, sagte der Maharadscha. »Ein Haus und eine lebenslange Rente verhöhnen den Wert des Lebens unseres einzigen Thronfolgers. Sagt«, wandte er sich an Uma, »was wünscht Ihr Euch?«
    Was sie sich wünschte?! Sie wäre überglücklich gewesen, wenn man sie nach der freundlichen Aufnahme im Palast einfach hätte ziehen lassen, vielleicht mit dem Notwendigsten an Kleidung und Proviant ausgestattet. Ein Haus und eine Rente? Ach, es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein! Warum hatte sie nur den entscheidenden Moment verschlafen müssen? Und was sollte sie jetzt bloß sagen? Sie wollte nicht gierig erscheinen, aber sie wollte die günstige Gelegenheit auch nicht verstreichen lassen. Das war sie Roshni und sich selber schuldig. Sie überlegte fieberhaft, dann folgte sie einer plötzlichen Erleuchtung.
    »Bitte verzeiht mir, erlauchte Hoheit, wenn ich den Eindruck erwecken sollte, ich sei undankbar. Eure Großzügigkeit ist mit Worten nicht zu beschreiben. Doch erlaubt mir, eine einzige Bitte zu äußern.«
    Die Reaktionen im Thronsaal reichten von scharfem Luftholen bis zu ungläubigem Kopfschütteln. Der Zeremonienmeister war nicht sicher, ob er dem unwürdigen Spektakel noch länger beiwohnen konnte, denn vor Angst, all dies könne ihm angelastet werden, verspürte er ein dringendes Bedürfnis. Die Maharani musterte Uma mit unverhohlener Verachtung – sie war überzeugt davon, dass die junge Frau um Edelsteine bitten würde, und war herb enttäuscht, dass sich ihr erster Eindruck von Uma als der einer moralisch gefestigten Seele nicht bestätigte. Der Prinz indes betrachtete seine Retterin mit immer offener

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