Der indigoblaue Schleier
beleuchtet, die wunderschöne Tafel aus Jacaranda-Holz eingedeckt wie für eine Hochzeit oder ein ähnlich bedeutsames Ereignis. Miguel hatte geglaubt, es handle sich um ein zwangloses Essen unter Freunden. Doch diese Tafel ließ vermuten, dass noch eine wichtige Ankündigung bevorstand. Er war gespannt.
Hinter jedem Platz stand ein Diener, gewandet wie eine Figur aus 1001 Nacht, der dem ihm zugeteilten Gast jeden Wunsch von den Augen abzulesen und ihm fast jeden Handgriff abzunehmen hatte. Miguel schmunzelte, als der für ihn zuständige Bedienstete in seiner rosa und golden schillernden Montur ungeschickt seinen Stuhl zurückzog, damit Miguel darauf Platz nehmen konnte, und ihm anschließend noch ungeschickter eine Serviette um den Hals band. Sie konnten die Domestiken ausstaffieren wie Könige – die Leute würden sich weiterhin wie Bauernrüpel benehmen. Wie gelang es bloß den Indern aus hohen Kasten, ihre Lakaien so viel besser zu schulen? Der Diener, der hinter Dona Assunção stand, zog sich gerade geräuschvoll den Rotz hoch. Die Dame des Hauses ignorierte das unappetitliche Geräusch hoheitsvoll und hoffte wahrscheinlich, der Tölpel habe wenigstens die Lektion gelernt, dass er nicht in der Öffentlichkeit ausspucken durfte. Ein anderer Diener untersuchte genauestens seine Fingernägel, wieder ein anderer kratzte sich unauffällig am Schritt. Es wäre zum Totlachen gewesen, aber Miguel riss sich zusammen. Er ahnte, welche Mühe es Dona Assunção gekostet haben musste, ihre Diener überhaupt so weit zu erziehen, dass man sie bei Tisch einsetzen konnte.
Die aufgetragenen Vorspeisen waren von außergewöhnlicher Qualität und Zubereitungsart. Miguel war noch nicht oft in den Genuss der typischen Goa-Küche gekommen, in der portugiesische und indische Gerichte zu etwas Neuartigem miteinander verschmolzen waren, das sämtliche Gaumenknospen gleichzeitig anregte. Bei den Furtados hatte es immer »richtiges« indisches Essen gegeben, bei ihm zu Hause merkte man den Speisen ebenfalls die Vorlieben des Kochs für einheimische Gerichte an. Und bei den wenigen Besuchen, die Miguel bislang den anderen Portugiesen abgestattet hatte, waren ausschließlich europäische Speisen auf den Tisch gekommen.
Nun aber wurden als Vorspeise
caranguejos recheados,
gefüllte Krebse,
rissóis,
mit Garnelen gefüllte Teigtaschen, sowie
amêijoas com côco,
Muscheln mit Kokosfüllung, serviert, alles intensiv mit Chili, Pfeffer, Ingwer und Kurkuma gewürzt. Als Hauptspeisen wurden aufgetragen:
xacuti de galinha,
eine Art Hühnchencurry mit Kokosnuss und allem an Gewürzen, was Goas Natur hervorbrachte;
sarapatel,
ein Eintopf aus Schweinefleisch und Leber, ebenfalls exotisch mit Zimt, Nelken, Pfeffer, Chili und Kurkuma zubereitet
; vindalho de carne de porco,
ein säuerlich-scharfer Schweinefleisch-Eintopf; dazu gab es ausgebackene, pikante Auberginen, Reis mit Kokosnuss, Reis mit Gemüse sowie das milde, weiche portugiesische Weizenbrot.
Miguel war im siebten Himmel. Seine Lieblingsgerichte von daheim mit den Gewürzen seiner neuen Heimat – das war ein Geschmackserlebnis, wie er es schätzte. Durch die indische Zubereitungsart erhielten die ursprünglich allzu rustikalen Gerichte eine Raffinesse, die er nie erwartet hätte. Er lobte Dona Assunção ausgiebig für das exzellente Mahl und fragte sie nach ihrem Koch.
»Er ist Halbinder«, antwortete sie. »Sein Vater war portugiesischer Schiffskoch, seine Mutter eine indische Küchenmagd. Von ihm kennt er die heimischen Bauerngerichte, von ihr hat er gelernt, wie man mit den Gewürzen zu verfahren hat. Er kocht begnadete Chutneys, mischt geniale Masalas, rührt himmlische Würzpasten an. Er ist unersetzlich.«
Dona Isabel, die Gattin des Kaufmanns Nunes, rümpfte kaum merklich die Nase, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Wahrscheinlich wäre ihr ein Mahl nach höfischer Sitte lieber gewesen. Miguel kannte ihr Faible für alles, was mit den europäischen Königshäusern zu tun hatte. Trotzdem langte sie tüchtig zu, und ihr enormer Busen wogte bei jedem Bissen, den sie nahm. Ihre Tochter Maria hingegen aß nur sehr wenig. Etwas mehr von dem Appetit ihrer Mutter hätte ihr gutgetan, dachte Miguel, denn die junge Frau war auffallend dünn und sehr blass. Er wagte kaum, das Wort an sie zu richten, vor Angst, sie könne wieder vor Scham erröten oder vor Schreck die Gabel fallen lassen. Sie war ein sehr fragiles Geschöpf.
Die Söhne des Capitão Almeida de Assis schaufelten das
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