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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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zu dick, nicht zu dünn. Seine auffallend aufrechte Haltung ließ vermuten, dass er das Befehlen gewohnt war. Auf seinem kahlen Schädel waren große braune Flecken zu sehen, wie Altersflecken. Eine Kopfbedeckung trug er nicht, doch das mochte daran liegen, dass sie ihn so überraschend in seinem Lagerhaus aufgesucht hatten, wo er unter all den Arbeitern nicht auf seine Erscheinung achten musste. Auch seine etwas nachlässige Kleidung legte diesen Schluss nahe. Er war grob geschätzt in Nayanas Alter, also um die fünfzig. Unter seinen verschlagen funkelnden Äuglein lagen bräunlich verfärbte Tränensäcke. Die ganze untere Hälfte des Gesichts war unter einem üppigen Bart verborgen, der von sehr viel grauem Haar durchzogen war. Seine Lippen waren voll und breit. Sie hatten eine leicht violettfarbene Tönung und wirkten auf unbestimmte Weise grausam.
    Nayana wusste, dass sie als »Herrin« nun sprechen musste, doch in ihrem Kopf herrschte auf einmal eine vollkommene Leere. Ihr fiel nichts, aber auch gar nichts ein, was sie hätte sagen können. Bhavani bemerkte, in welchen Nöten ihre
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steckte. Ob es sich nun so gehörte oder nicht, sie musste das Wort ergreifen.
    »Meine Herrin, sehr verehrter Iqbal-sahib, ist den Umgang mit fremden Männern nicht gewohnt. Es versetzt sie in große Gewissenskonflikte. Erlaubt, dass ich für sie spreche.«
    Iqbal wackelte bejahend mit dem Kopf.
    »Wir sind entfernte Verwandte von Manesh, dem Landvermesser. Uns ist auf Umwegen zu Ohren gekommen …«
    »Halt!« Iqbal sah die beiden lauernd an. »Wer seid ihr? Wie heißt ihr?«
    »Oh, verzeiht meinen Mangel an Manieren. Meine Herrin ist Gita-bai, die Gemahlin des Rittmeisters Manohar, der ein Cousin zweiten Grades von Manesh-sahib ist. Und ich bin ihr nichtswürdiger Laufbursche Abid. In Anbetracht der Umstände konnte meine Herrin hier nicht mit größerem Gefolge auftauchen. Nun, meine Herrin hat gehört, dass Ihr Euch mit der Nichte Maneshs vermählen wollt. Wir müssen Euch warnen. Es handelt sich bei dieser Bhavani um ein verdorbenes, sündiges Geschöpf. Wir kennen sie gut. Und leider wissen wir nur allzu genau um ihre, nun ja, ihre angebliche Unschuld.«
    »Was soll das heißen? Ist sie etwa keine Jungfrau mehr?«, polterte der Händler.
    »Iqbal-sahib«, hier blickte Bhavani betreten zu Boden, »Ihr seid äußerst scharfsinnig.«
    »Und warum«, fragte Iqbal und sah dabei die ältere Frau aus zusammengekniffenen Augen an, »erzählt Ihr mir das alles? Wer sagt mir, ob Ihr es nicht aus Rache an Manesh tut, oder aus schierer Boshaftigkeit, oder um den Ruf des Mädchens in den Schmutz zu ziehen? Wollt Ihr Geld für Eure Informationen?«
    Diese direkte Redeweise schockierte die beiden Besucherinnen. Kein wohlerzogener Mensch hätte solche Vermutungen laut ausgesprochen. Es verriet ihnen alles über Iqbal, was seine Physiognomie und sein Gebaren sie bereits hatten ahnen lassen: Der Mann war zutiefst vulgär.
    Nun meldete sich endlich Gita-bai alias Nayana zu Wort. »Eure Bezichtigungen entbehren jeder Grundlage und sind eine Beleidigung für uns, die wir den beschwerlichen Weg zu Eurem«, hier sah sie sich angeekelt um, »Lagerhaus auf uns genommen haben, um Euch zu warnen. Nehmt diese Hure zur Frau. Ihr verdient nichts Besseres.« Mit stocksteifem Rücken drehte sie sich um, gab ihrem »Burschen« einen Wink und stolzierte wie eine Königin aus dem Raum.
    Bhavani folgte ihr mit heftig klopfendem Herzen. So großartig die Darbietung ihrer alten Kinderfrau gewesen sein mochte – sie war auch gefährlich. Wer wusste schon, ob dieser alte Schmierfink ihnen nicht seine bissigen Hunde auf den Hals jagte oder eine ähnliche Schandtat im Schilde führte. Als sie eben das Tor erreicht hatten, hörten sie ein hämisches Lachen.
    »Gita-bai?«, rief Iqbal ihnen gackernd nach.
    Mit schreckgeweiteten Augen drehte Nayana sich herum. Sie antwortete nicht.
    »Euer Bursche gefällt mir. Was wollt Ihr haben, um ihn mir zu überlassen?« Während er dieses Angebot machte, taxierte er den »Burschen« genau. Bhavani war froh, dass ihr die Wickelhose und das lange Hemd so weit waren, so dass sich ihre allmählich erblühenden weiblichen Formen nicht darunter abzeichneten.
    Nayana stürmte empört aus dem Tor heraus, dicht gefolgt von Bhavani. Das schmutzige Gelächter Iqbals hallte noch in ihren Ohren, als sie längst die Sicherheit der bevölkerten Marktstraßen erreicht hatten.
     
    Monatelang hockte Bhavani in ihrer Dachkammer, dem

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