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Der indische Fluch

Der indische Fluch

Titel: Der indische Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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gedrungen war.
    n

    *
    25.6.97
    Ein schauerlicher Schrei ließ mich zusammenfahren. Ich wechselte einen Blick mit Josh und sah auch in dessen Gesicht nichts als Ratlosigkeit...
    "Stanton?" flüsterte Josh.
    Ich nickte leicht.
    Im nächsten Moment standen wir beide auf und mit schnellen entschlossenen Schritten duchquerten wir den Raum und folgten dem Schrei, der genauso plötzlich verstummt war, wie sein Klavierspiel.
    Der Butler folgte uns.
    Sein ahnungsvolles Gesicht war schreckgeweitet.
    Die Tür zum Klavierzimmer war lediglich angelehnt.
    Ich stieß sie mit einer zögernden Handbewegung auf und das Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich ahnte bereits, was geschehen war... Die Wirklichkeit aber übertraf alle Schrecken der Fantasie.
    "Ratami...", flüsterte ich tonlos und setzte mit zitternden Knien den ersten Schritt in das Zimmer.
    Es war ein Anblick des Grauens, der sich uns bot und keiner von uns brachte es fertig, auch nur einen einzigen Laut von sich zu geben. Ich sah kurz zu Josh hinüber. Noch nie hatte ich ihn derart schreckensbleich gesehen. Blankes Entsetzen stand ihm im Gesicht geschrieben.
    Er schluckte.
    Mein Blick streifte über die grauweißen Spinnweben, die alles überwuchert hatten. Die Zimmerpflanzen waren verwelkt und zum Teil bereits halb zu Humus zerfallen. Und im Wasser des Zierfischaquariums, das auf einer Kommode stand, schwammen nur noch nackte Grätengerippe.
    Stanton saß vornübergebeugt am Flügel. Der Kopf lag auf dem Notenständer. Die vor Entsetzen und Todesangst weit aufgerissenen Augen blickten ins Nichts...
    Auf der Schulter seines hellgrauen Jacketts befand sich der bis auf die Haut durchgebrannte Abdruck einer Hand...
    "Sie war es", stellte ich fest.

    "Du sprichst von Ratami?" meinte Josh.
    "Ja."
    Ich wandte den Blick von Stanton ab. Ich konnte diesen Anblick nicht mehr ertragen. Es war ein Bild, daß einen bis in Alpträume hinein verfolgen konnte.
    Das Fenster war geöffnet und es kam ein kühler Luftzug herein.
    Und dann sah ich hinaus in die flache Parklandschaft hinein. Die niedrigen Hecken waren kein Hindernis, um alles gut übersehen zu können.
    Und dann sah ich sie....
    Ratami...
    Der Wind wehte durch ihr rotes Gewand und ließ das dunkle Haar hinter ihr herschweben. Leichtfüßig eilte sie dem Wald entgegen.
    Josh hatte sie auch gesehen.
    Wir sahen uns nur an.
    "Das ist die Frau, die ich gesehen habe",meinte er. "Wer immer sie auch sein mag."
    "Los", sagte ich, "wir müssen hinter ihr her."

    *
    Wir setzten zu einem Spurt an und rannten durch den Park.
    Schon kurz nachdem wir ins Freie gelangt waren, hatte wir sie verloren.
    "Wie vom Erdboden verschluckt!" meinte Josh.

    Ich deutete auf verwelkte Blüten und abgestorbene Sträucher. Die Spur des Todes war unübersehbar... Spinnweben überwucherten dort ganze Sträucher und ein charakteristi-scher Modergeruch hing in der Luft.
    "Komm", sagte ich. Wir folgten dieser eigetümlichen Spur bis zum Waldrand. Hohe Bäume mit dichten Kronen gab es hier, die kaum Sonne hindurchließen. Das Unterholz wucherte beinahe wie in einem Urwald. Rankpflanzen schlangen sich wie Würgearme um die schlanken Baumstämme und ließen beides zusammen wie eigenartige Skulpturen erscheinen.
    Dazwischen gab es Bäume mit dicken, knorrigen Stämmen und eigentümlichen Verwachsungen.
    Ein Ort wie aus einem Alptraum.
    Es war, als ob man die Aura von dunkler Magie und uralten Flüchen fast körperlich spüren konnte.
    Mit einem gepflegten Forst hatte dieses Waldstück nichts zu tun.
    "Es scheint, als wäre hier seit vielen Jahren niemand mehr gewesen!" meinte Josh, während wir der Spur des Todes folgten, mit der Ratami uns den Weg wies.
    "Vielleicht hatte das seinen Grund", sagte ich.
    "Ein verwunschener Ort, den niemand zu betreten wagt?" In Joshs Stimme klang etwas Ironie mit, aber ich hatte das ganz ernst gemeint.
    "Warum nicht?"
    Wir kamen immer tiefer in das Unterholz hinein und die Baumstämme schienen immer bizarrer zu werden. Der Schrei einer Krähe ließ uns beide zusammenzucken.
    Wir sahen uns an und ich erkannte, daß Josh sich genauso mulmig fühlte wie ich mich, auch wenn er sein Inneres hinter einer Fassade aus Witz und Ironie zu verstecken suchte.
    Aber dahinter lag Furcht...
    Genau wie bei mir.
    Sie kroch mir wie etwas Kaltes, Glitschiges den Rücken hinauf. Die entscheidene Frage hatte keiner von uns beiden zu stellen gewagt.
    Was machten wir, wenn wir Ratami gefunden hatten - sofern uns das gelingen sollte?
    Die geheimnisvolle

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