Der indische Fluch
schien in ihr stattzufinden.
Ich...
"Ja?"
Ich bin des Tötens überdrüssig und will nur noch Erlösung.
Meine Seele soll an jenen Ort gelangen, an dem sich mein geliebter George Pembroke seit langem bereits befindet...
Ich will vergessen...
"Welche Möglichkeit gibt es, dir Frieden und Vergessen zu geben?" fragte ich.
Ich weiß es nicht! war die verzweifelte Antwort. Ich weiß es nicht...
Ihre Erscheinung wurde transparent, während sich ihr Gesicht schmerzhaft verzog. Die ganze Qual, die sie empfand, war ihren Zügen anzusehen. Für einen Moment glaubte ich, Tränen ihre Wangen hinunterrollen zu sehen...
Aber vielleicht war das auch nur Einbildung.
Ratami löste sich vor meinen Augen auf, so wie sie es schon einmal getan hatte.
Der Grabstein schimmerte bereits grau durch sie hindurch, während sie noch einen weiteren Schritt zurückwich. Ich sah, wie sie das Gelenk ihrer verbrannten Hand mit aller Kraft festhielt.
Dann war sie verschwunden.
"Was hatte das zu bedeuten?" fragte Josh. "Es klang beinahe, als hättest du dich mit ihr unterhalten..."
"Ja", murmelte ich.
"Aber..."
"Josh, wir haben großes Glück gehabt!" unterbrach ich ihn atmete tief durch.
Dann ging ich auf den Grabstein zu und sah ihn mir genau an.
Das Grab von Reverend Morley...
Meine Fingerkuppen strichen nachdenklich über den grauen, in all den Jahren porös gewordenen Stein und ich fragte mich, welche Bedeutung dieser Ort in dem ganzen Puzzle spielte...
Und wieder hatte ich für den Bruchteil einer Sekunde die Vision eines Armreifs vor meinem inneren Auge.
Ratamis Armreif!
*
Als wir zurück zum Landhaus kamen, hatte der Butler längst die Polizei gerufen.
Inspektor McEllroy war unterwegs und Josh fragte mich: "Was wirst du ihm sagen?"
"Gar nichts", meinte ich. "Er würde ohnehin nicht ein einziges Wort glauben..."
"Aber er ist hartnäckig genug uns nicht so davonkommen zu lassen", stellte Josh fest.
Ich sah ihn.
"Tust du mir einen Gefallen?"
Er lächelte, wenn auch etwas matt. Das Erlebnis im Wald hatte auch ihm sichtlich zugesetzt.
"Jeden, Linda. Das weißt du doch."
"Beantworte du die Fragen des Inspektors... Ich habe keine Lust, diese langwierige Prozedur über mich ergehen zu lassen und außerdem..."
Er hob die Augenbrauen.
"Ja?"
"Diesem Spuk muß ein Ende gesetzt werden. Ich glaube fast, daß Ratami uns absichtlich zu dem Grab von Reverend Morley geführt hat..." Ich sagte das etwas in mich gekehrt und beinahe mehr zu mir selbst als zu Josh.
"Und weshalb?" fragte Josh.
"Ich werde Mark Ridley danach fragen. Er dürfte derjenige sein, der am meisten über das Ratami-Phänomen weiß..."
*
Eine Viertelstunde später stellte ich den 190er Mercedes vor Ridleys Praxis ab. Ich mußte eine weitere Viertelstunde warten, weil er gerade eine Patientin im Behandlungszimmer hatte.
Mit einem freundlichen Lächeln empfing er mich dann, nach dem die Patientin - eine bereits recht betagte Frau -
nach wortreicher Verabschiedung gegangen war.
"Der alten Dame fehlt eigentlich nichts", meinte er. "Aber seitdem ihr Mann gestorben ist, kommt sie regelmäßig einmal die Woche mit irgendwelchen Beschwerden..."
"Mark, ich..."
In diesem Moment klingelte das Telefon. Ridley wollte den Hörer von der Gabel nehmen, aber ich hielt ihn zurück. "Ich kann dir sagen, weswegen du jetzt angerufen wirst! Stanton ist tot..."
"Ratami?"
"Ja... Laß es klingeln. Du wist an dem Toten nichts anderes feststellen können als bei all den anderen. Und wir dürfen keine Zeit verlieren..." In knappen Worten faßte ich ihm zusammen, was Josh und ich bei der Grabstelle des Reverends erlebt hatten.
Ridley atmete tief durch und ließ das Telefon klingeln. Er nahm meine Hand und sah mich mit seinen ruhigen dunklen Augen an. "Sie hat dich zu Reverend Morleys Grabstelle geführt?"
echote er und ich nickte.
"Ja. Und sie sprach davon, daß sie nach Erlösung von jenem Fluch sucht, der sie gefangen hält..."
"Ihrem eigenen Fluch!" gab Ridley zu bedenken. "Das macht es geradezu tragisch..." Er schien einen Augenblick lang nachzudenken, dann meinte er: "Ich selbst habe versucht diese Stelle zu finden", sagte er dann. "Aber nach all den Jahren war das natürlich schwierig. Die Suche nach einem Grabstein in einem so großen Waldgebiet ähnelt jener der berühmten Nadel im Heuhaufen, zumal mir ja keine Hunderschaft an Pfandfindern zur Verfügung stand, die mich unterstützt hätte... Laß uns hinfahren, Linda!"
"Wir können meinen Wagen nehmen. Aber um
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