Der indische Fluch
auch das Hausmädchen befragt, daß über einige Streitereien zwischen Lisa und ihrer Mutter aussagte..."
"Sie ist sehr labil", erwiderte ich.
Josh zuckte die Achseln.
"Dieser McEllroy hält sie für die Täterin und sammelt fleißig Beweise. Klar, daß das an Lisas Nerven zehrt..."
Nach dem Dinner sah ich noch bei ihr vorbei, obwohl der Butler mir abriet. Ich ließ mich aber nicht abwimmeln.
Ich klopfte an Lisas Zimmertür, das im Ostflügel von Pembroke Manor gelegen war und wartete auf eine Reaktion.
Nichts.
"Lisa?" fragte ich.
Ich hörte, wie sich auf der anderen Seite der Tür etwas bewegte. Schritte, die auf und ab zu gehen schienen. Daß sie mich nicht hörte, war ausgeschlossen.
"Geben Sie auf, Miss Chester", hörte ich die Stimme des Butlers, der mir gefolgt war und nun den Flur entlang auf mich zukam. "Es hat keinen Sinn. Glauben Sie mir, ich kenne Miss Lisa länger und besser als Sie..."
Ich nickte.
Vermutlich hatte er recht.
"Gute Nacht, Edward."
"Schlafen Sie gut, Miss Chester. Soll ich Sie morgen früh wecken?"
"Nein danke, nicht nötig."
*
Lisa saß zusammengekauert in dem großen Ohrensessel, der in ihrem Zimmer stand blickte wie gebannt auf die Flamme...
Sie ließ das Streichholz abbrennen, bis die Flamme ihre Fingerspitzen zu versengen drohte und ließ es dann fallen.
Das nächste Streichholz folgte und wurde auf dieselbe Weise in ein kleines Stückchen Holzkohle verwandelt. Ihr Blick war starr und ausdruckslos.
"Sie sind eine Mörderin! Geben Sie es zu, Miss Carter! Und ersparen Sie uns damit dieses elende Katz-und-Maus-Spiel!"
Die Worte des Inspektors hallten in ihrer Erinnerung wieder und ihr Gesicht verzog sich dabei.
"Nein!" flüsterte sie. "Ich bin keine Mörderin!"
"Sie brauchen Hilfe, Miss Carter. Und man wird Sie Ihnen bestimmt auch geben. Aber wenn man Ihnen helfen soll, müssen Sie die Karten endlich offen auf den Tisch legen..."
Immer wieder hatte er auf sie eingeredet und zum Schluß war sie ganz durcheinandergewesen.
Ein Geräusch riß sie aus ihrer Lethargie heraus.
Die Tür ihres Zimmers öffnete sich, obwohl sie abgeschlossen hatte. Das Schloß sprang wie von Geisterhand berührt zurück und mit einem Knarren entstand ein Spalt...
Lisas Mund stand offen vor Entsetzen, als sie die schlanke, kalt lächelnde Frauengestalt sah, die jetzt mit lautlosen Schritten eintrat.
Lisa war unfähig, irgend etwas zu tun.
Nicht einmal ein Schrei entrang sich ihrer Kehle, die durch einen dicken Kloß verschlossen wurde.
Die nächtliche Besucherin hob ihre Hand, deren Innenfläche rabenschwarz war...
*
Es war bereits nach Mitternacht, als Ridley seinen Landrover am Waldrand abstellte.
Er wandte einen kurzen Blick zu den Mauern von Pembroke Manor hinüber, die durch den Mond in ein eigenartiges Licht getaucht wurden.
Der Schrei einer Eule schallte durch die Nacht.
Ich muß es tun! dachte er. Und zwar jetzt. Es duldet keinen Aufschub mehr...
Er wollte einfach nicht bis zum nächsten Morgen warten.
Ridley öffnete die Hecktür des Landrovers und holte eine Schaufel und eine starke Taschenlampe heraus.
Dann machte er sich auf den Weg, mitten durch das dichte Unterholz des Waldes. Die Kronen der Bäume wurden durch den Wind sanft hin und her geschwenkt. Die Blätter raschelten und hier und da waren tierische Bewegungen vernehmbar. Äste knackten, Flügel schlugen...
Eine gespenstische Atmosphäre lag über diesem dichten Wald.
Ridley bahnte sich mit der Schaufel einen Weg. Er hoffte nur, daß er die Grabstelle in der Dunkelheit auch wiederfinden würde. Ein ungutes Gefühl hatte sich in seiner Magengegend breitgemacht und als er mitten im Wald war, von allen Seiten umgeben von Dunkelheit und Gestrüpp, begann er sich zu fragen, ob es wirklich eine gute Idee war, hier her zu kommen.
Jetzt, zu dieser Stunde...
Sie hat Linda und diesen Cody nicht getötet! rief er sich ins Gedächtnis. Vielleicht war es wirklich so, daß Ratami nichts weiter suchte, als Erlösung. Erlösung von einem grausamen Fluch, den sie selbst ausgesprochen und mit dem sie sich bis in alle Ewigkeit gefesselt hatte.
Ridley erreichte schließlich die Lichtung. Er atmete tief durch und ging dann mit entschlossenen Schritten auf das Grab von Reverend Morley zu.
Das Mondlicht schien auf den grauen, porös gewordenen Stein. Ein Überbleibsel aus einer unseligen Vergangenheit...
Ridley schluckte.
Damals hat alles begonnen! Und vielleicht kann es jetzt wieder enden...
Er legte die Taschenlampe auf
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