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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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Irland
    S tan Lundquist schritt durch den Metalldetektor vor der Zollabfertigung und nahm dann nach der obligatorischen Gepäckkontrolle seine Reisetasche wieder. Da der Flug von London hierher bei weitem nicht ausgebucht gewesen war, sammelte sich vor der Paßkontrolle nur eine erfreulich kurze Menschenschlange. Deshalb erreichte er auch recht bald den Taxistand vor dem Flughafengebäude und ließ sich von einem Wagen zur Houston Station im Westen der irischen Hauptstadt fahren. Dort löste er eine Fahrkarte nach Limerick und setzte sich anschließend ins Bahnhofsrestaurant, da der Zug erst eineinhalb Stunden später abfahren sollte.
    Während er auf seine Mahlzeit wartete, versuchte er noch einmal, seine zwiespältigen Gefühle zu ordnen.
    Er war also wieder drin im Job, fast von einem Tag auf den anderen. Vielleicht zu früh, überlegte er unsicher, die rechte Euphorie über die neue Aufgabe blieb noch aus. Im Moment überwog das Heimweh nach Sinarades, nach dem wunderbar sanften Leben und dem beneidenswerten Wetter, das in krassestem Gegensatz zu dem stand, was Dublin gerade zu bieten hatte.
    Kopfschüttelnd schaute Lundquist aus dem Fenster. So einen Regen hatte er seit fast einem Jahr nicht mehr erlebt. Hoffentlich hat das Zugpersonal für alle Fälle Schwimmwesten an Bord, dachte er, um sich ein wenig aufzuheitern. Das Gesicht der alten Maria ging ihm nicht aus dem Sinn, die ihn beim Abschied lange und regungslos angesehen hatte. »Ich hoffe, du kommst gesund zurück, Stanis«, hatte sie nur gesagt, »ich werde so lange auf dein Haus aufpassen.« Und ihre stumme und stolze Traurigkeit bewegte ihn immer noch. Sicher hatte sie Angst, daß auch ihr Ersatzsohn verloren gehen könnte.
    Das Essen kam. Lundquist aß langsam und überdachte die Entscheidung, sich kopfüber wieder ins Leben zu stürzen. London als direktes Kontrastprogramm zu Sinarades konnte einen schon ein bißchen ernüchtern.
    Aber er mußte da durch.
    Er mußte einfach herausfinden, was hinter Montgomerys Unglücksfall steckte. Denn daß sein früherer Schulfreund nur durch einen schlimmen Zufall ums Leben gekommen war, konnte Lundquist nicht mehr glauben. Die Dockarbeiter in Holyhead, die miterlebt hatten, wie die Zeitungspalette vom Kranseil losgerissen war und in die Touristengruppe stürzte, hatten keinerlei Erklärung für die Ursache des Unfalls. Zudem behaupteten alle in Frage kommenden Kranführer, daß sie zur entsprechenden Zeit in der Kantine gesessen hätten, weil die Verladung der Paletten erst fünfzehn Minuten später angesetzt gewesen war. Wer hatte also den Kran geführt?
    Da war etwas mächtig faul! Schlichter Mord, dachte Lundquist. Und wenn überhaupt jemand aus der Touristengruppe ein potenzielles Mordopfer darstellte, dann war es Stephen Montgomery – Londoner Topagent des australischen Geheimdienstes.
    Er nahm seine Reisetasche auf und ging zur Kasse am Ausgang, um das Essen zu bezahlen. Wenig später stand er auf Bahnsteig drei und wartete auf den Zug.
    Mal sehen, dachte er, was sich in diesem Laboratorium in Limerick herausfinden ließ. Montgomery war immerhin auf dem Weg dorthin gewesen, als es ihn im Fährhafen erwischt hatte. Adrian Kay hatte am Telefon die Vermutung ausgesprochen, daß Montgomery hinter einem Mann namens Efrem Blunstone her gewesen war, und offenbar gab es da bei den Interclone Laboratories einen Kontakt. Also würde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter anheuern, um Näheres herauszubekommen.
    Der Zug fuhr ein. Lundquist stieg zu und suchte sich ein unbesetztes Abteil. Nachdem der Schaffner die Fahrkarte kontrolliert hatte, legte der Australier die Beine hoch und blickte in sich gekehrt aus dem Fenster.
    Er hatte Glück gehabt, denn das Einstellungsgespräch bei Interclone war schneller zustande gekommen, als er gehofft hatte. Die Leute suchten gerade händeringend qualifizierte Mitarbeiter für einige freie Stellen als Laborleiter. Lundquist war sofort, nachdem er die entsprechenden Anzeigen in den Fachzeitschriften gesehen hatte, nach Limerick gereist und hatte beim Personalchef von Interclone vorgesprochen. Als der Mann hörte, über welche experimentellen Kenntnisse Lundquist verfügte – zum Beispiel die Kultivierung humaner Eizellen und In-vitro-Fertilisation, Herstellung transgener Mäuse durch Mikroinjektion fremder DNA in entsprechende Mauseier, alle gängigen gentechnologischen und Zellkulturmethoden –, waren alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Lundquist konnte sofort anfangen, und

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