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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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sehr nett, daß Sie mir einige Minuten Ihrer sicher kostbaren Zeit opfern wollen.« Er zuckte bedauernd die Achsel. »Ich bin untröstlich, daß ich Sie stören muß, aber die Umstände erfordern es leider.«
    »Aber bitte, Sie brauchen sich doch nicht zu rechtfertigen. Schließlich tun Sie doch nur Ihre Pflicht.« Cruikshank deutete auf die offene Wagentür. »Darf ich Sie bitten, einzusteigen? Wir haben nur eine kurze Fahrt vor uns.«
    Der Leiter des Zentralen Gesundheitsamtes nickte dankend und nahm im Fond Platz. Während der Fahrt legte ihm David Cruikshank die wirtschaftliche Bedeutung des bei der Fleischgewinnung anfallenden Leders für die Schuhindustrie Uruguays dar. Mit einigen Insiderinformationen über den Jahresumsatz von Breedwell gelang es ihm sogar, Santos-Cruz ein wenig zu beeindrucken.
    »Sehr imponierend, Mr. Cruikshank, wirklich. Gestatten Sie mir die Frage, wie Sie zu den anderen Rinderzuchtbetrieben stehen, deren Weidegründe an Ihre Ländereien angrenzen. Sind diese Unternehmen eigentlich neben einem solchen Giganten wie Breedwell noch konkurrenzfähig?«
    Cruikshank lächelte nachsichtig. »Ihre Frage wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es da eine Konkurrenz gäbe. Aber unter uns, obwohl ich Ihnen damit ein recht offenes Geheimnis anvertraue: Die Unterscheidung in mehrere Zuchtunternehmen wird nur aus steuerlichen Gründen und wegen der Vorgaben des Grund- und Bodenrechts Ihres Landes getroffen. De facto gehören diese einzelnen Unternehmen ein- und demselben Konzern an. Beantwortet diese Auskunft Ihre Frage?«
    Santos-Cruz nickte bedächtig. »Ja, das kann man wohl sagen. Wenn ich das richtig interpretiere, sind also nahezu die gesamten Rinderherden im Westen von Uruguay im Besitz eines einzigen Konzerns? Eines amerikanischen Konzerns?«
    »Ja, so kann man das ausdrücken.«
    »Hm«, machte Santos-Cruz nur. Da mußte er ja ganz schön aufpassen. Wenn er sich hier in die Nesseln setzte, dann würde es nicht nur ihn, sondern wahrscheinlich sofort auch die Regierung in Montevideo jucken.
    Die Limousine hatte inzwischen die Verwaltungsgebäude erreicht und hielt vor dem Haupteingang. Cruikshank führte seinen Besucher in sein Büro und bot ihm Kaffee an.
    »Nein danke, sehr freundlich. Aber ich habe heute noch einige andere Termine und bin etwas in Eile. Ich möchte Sie deshalb auch nicht lange aufhalten und nur einige Fragen stellen, wenn Sie erlauben.«
    »Bitte, Dr. Santos«, erwiderte Cruikshank. »Was wollen Sie wissen?«
    »Wie viele Mitarbeiter hat Ihre Firma?«
    »Nun, etwa fünfzig fest angestellte und über neunhundert Aushilfskräfte.«
    Aushilfskräfte! Es war leicht, sich vorzustellen, was diese harmlose Umschreibung für die armen Teufel bedeutete, die hier zehn bis vierzehn Stunden am Tag für einen Hungerlohn die schwerste Arbeit taten. Aber der Beamte bemühte sich, seinen aufkeimenden Zorn nicht zu zeigen.
    »Und wie viele dieser Leute sind zur Zeit erkrankt, Mr. Cruikshank?«
    »Nun, von den Angestellten ist gerade ein Mann erkrankt, wenn ich es so nennen darf. Er ist hier im Verwaltungsgebäude die Treppe hinuntergefallen und hat sich dabei einen Armbruch zugezogen. Wie viele von den Aushilfskräften zur Zeit krank sind, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht genau sagen. Sie kommen ohnehin recht unregelmäßig, deshalb weiß ich nicht, ob sie erkrankt sind oder nur einen oder zwei Tage frei genommen haben.«
    Ja, du Schwein, dachte Santos-Cruz, weil du dich einen Dreck darum kümmerst! Er bemühte sich, ein einigermaßen freundliches Gesicht beizubehalten, und versuchte es noch einmal. »Aber Sie werden mir vielleicht sagen können, wie viele Fälle schwerer Grippe Ihnen aus Ihrem Mitarbeiterkreis bekannt sind. Nur ungefähr, meine ich.« Cruikshank machte ein nachdenkliches Gesicht. »Tja, wenn ich das im Kopf überschlage, müßten es etwa zehn bis fünfzehn Leute sein«, log er. »Wir haben uns deshalb nicht intensiv darum gekümmert, weil das nicht besonders deutlich über der normalen Krankenquote liegt.«
    Diese Aussage mußte Santos-Cruz mit Recht anzweifeln, wußte er doch von Professor Roldan definitiv, daß mindestens siebzig bis achtzig Grippepatienten im Zentralkrankenhaus aus dieser Gegend stammten. Und fast alle ärmeren Leute, die hier wohnten, arbeiteten bei Breedwell, darunter auch viele frühere Kleinbauern, denen Breedwell mit verlockenden finanziellen Angeboten Ackerland abgekauft hatte, um es in Rinderweiden umzuwandeln. Wenn der Erlös für das Land

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