Der Infekt
Nervensäge! Ich muß mich konzentrieren! Also zisch ab! Deine Bilder sind in etwa zwei Stunden fertig.«
Chuck Hartley erhob sich vom Schneidetisch und ging zur Tür. »Echt, Katie, du bist ein Goldstück. Ich habe es schon immer gewußt. Ein Juwel … die beste Fotografin der Welt … ein Glücksfall für unser Institut … die Mutter Teresa der Kongreßfahrer … eine Zierde für …« Endlich war seine Stimme nicht mehr zu hören, denn er hatte die Tür zum Flur hinter sich zugemacht.
Katie schüttelte lächelnd den Kopf. Chuck war wirklich einer der albernsten und zugleich nettesten Menschen, den sie je kennengelernt hatte. Wenn er mit seiner Doktorarbeit fertig war und in ein anderes Labor irgendwo in Amerika wechselte, würde sie ihn sehr vermissen. Aber das war eben so. Bei manchen Studenten und Doktoranden war man froh, wenn sie blieben; bei anderen dagegen konnte man nur drei Kreuze schlagen, wenn sie endlich fertig waren und wegzogen.
Katie Pafka widmete sich dem nächsten Auftrag. Heute war es wirklich hektisch! Und wenn dann noch dauernd jemand hereinplatzte, machte sie das ganz nervös.
Als sie den eben entwickelten Film aus dem Trockenschrank holte, klopfte es erneut. Die junge Frau seufzte. »Ja, verflucht, was ist denn jetzt schon wieder los?« rief sie unwirsch.
»Ms. Pafka?«
Ach, du heiliger Bimbam, das war der Chef! Was trieb den denn hierher?
Sie eilte zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Professor Seitz lächelte ihr freundlich zu.
»Verzeihung, Herr Professor«, entschuldigte sie sich, »mein unfreundlicher Ton war nicht so gemeint. Aber heute kommt dauernd einer hier reingelaufen und stört mich bei der Arbeit. Was gibt es denn?«
Seitz nickte verständnisvoll. »Ich kann mich auch nicht konzentrieren, wenn ich dauernd gestört werde. Deshalb brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Ich wollte Sie nur bitten, nachher kurz in mein Büro zu kommen, bevor Sie nach Hause gehen.«
»Sicher, das mache ich.«
Seitz lächelte ihr zu und kehrte dann in sein Büro zurück, während Katie in der Dunkelkammer die Stirn in Falten legte. Wenn der Chef sie sprechen wollte, bedeutete das immer, daß er so schnell wie möglich einige dringende Abbildungen für irgendeinen Vortrag brauchte.
Also flott! Sie nahm Chuck Hartleys Vorlagen zur Hand und betrachtete sie eingehend. Der hatte ja wohl einen Vogel! Das dauerte dann doch ein wenig länger. Wie konnte man nur so nachlässig seine Bilder zusammenkleben? Das mußte sie nun noch einmal alles ablösen und neu zusammenkleben. Dem würde sie nachher ganz schön die Leviten lesen.
Eine gute Stunde später hatte sie die Repros endlich im Kasten. Sie machte sich an die Entwicklung der Negative, und nach einer weiteren Stunde schwammen Chucks Großabzüge für das Kongreßposter im Schlußbad. Katie brauchte den jungen Nachwuchsforscher auch gar nicht zu informieren, denn die von ihr vorgegebenen zwei Stunden waren kaum verstrichen, und Hartley stand bereits draußen vor der Tür.
»Katie? Liebe Katie! Bist du vielleicht schon fertig mit meinem Kram?« erkundigte er sich in einschmeichelndem Ton.
Die Institutsfotografin öffnete die Tür und ließ gleichzeitig das normale Deckenlicht aufflammen, denn für heute hatte sie von Entwicklungen und Abzügen die Nase voll.
»Ah, der süße Chuck!« antwortete sie übertrieben liebevoll. »Hör mal, du Wahnsinniger, wenn du mir beim nächsten Mal wieder so einen Mist andrehst, dann war das das letzte Mal, Mister Chuck, daß ich mich für dich krumm gelegt habe. Und jetzt sieh zu, daß du aus meinem Gesichtsfeld verschwindest!«
Hartley nahm erleichtert seine Abzüge und winkte ihr noch einmal dankend zu, bevor er sich umdrehte und in sein Zimmer zurückkehrte.
Als die Fotografin wenig später auf den Rufknopf des Aufzugs drückte, fiel es ihr siedend heiß ein. O Gott, o Gott, dachte sie erschrocken, jetzt hätte ich fast den Chef vergessen. Mit schnellen Schritten eilte sie den Flur entlang und klopfte an Professor Seitz' Tür.
»Herr Professor? Sie wollten mich sprechen?«
Seitz nickte und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Setzen Sie sich doch bitte! Ich werde Ihren Feierabend nicht lange verkürzen.«
Der Institutschef nahm einige Blätter aus einem Ablagefach und sah sie aufmerksam durch. Dann sortierte er ein paar Fotos und Abbildungen heraus und legte sie vor die Fotografin auf den Schreibtisch. »Hier, Ms. Pafka. Ich brauche von diesen Vorlagen Dias, für den Vortrag in
Weitere Kostenlose Bücher