Der Infekt
aufgebraucht war, blieb den Ärmsten nichts anderes übrig, als bei Breedwell zu Niedrigstlöhnen ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Cruikshanks Stimme riß Santos-Cruz aus seinen Gedanken. »Worüber denken Sie nach, Dr. Santos?«
»Nun, ich hatte gerade überlegt, daß fast achtzig Leute aus der hiesigen Gegend ins Zentralkrankenhaus nach Montevideo eingeliefert worden sind. Deshalb kommt mir die Zahl, die Sie mir eben genannt haben, recht niedrig vor.«
»Das mag schon sein«, erwiderte Cruikshank, »aber Sie vergessen dabei, daß nicht alle Menschen, die hier leben, auch bei Breedwell arbeiten.«
Der Mann sagt nicht die Wahrheit, dachte Santos-Cruz. Aber wie komme ich an ihn heran? Nachdenklich blickte er aus dem Bürofenster.
Unten auf dem Hof stand ein mittelgroßer Lastwagen, dessen Plane zurückgeschlagen war. Vier Männer kamen aus einem Tor an der Seite des benachbarten Gebäudes. Sie trugen graue Schutzanzüge und Atemschutzmasken. Mit vereinten Kräften schleppten sie einen Rinderkadaver zum Lastwagen und wuchteten ihn auf die Ladefläche.
Dr. Santos-Cruz sah genauer hin. Auf dem vorderen Teil der Ladefläche lagen bereits vier weitere verendete Tiere. »Was ist mit den Tieren, Mr. Cruikshank?«
Der Amerikaner sah ebenfalls aus dem Fenster. Diese verdammten, blöden Idioten! Waren denn die von allen guten Geistern verlassen? Warum mußten sie gerade jetzt die toten Viecher abtransportieren? Er versuchte sich zu beruhigen. »Sie wissen doch, daß wir stichprobenartige Fleischkontrollen vornehmen, Dr. Santos. Und dazu muß man die Tiere natürlich töten«, erklärte er gelassen.
Santos-Cruz runzelte die Stirn. »Aber weshalb tragen die Männer Atemmasken und Schutzanzüge?«
»Das gehört zu unseren Sicherheitsvorschriften beim Umgang mit verendeten Tieren.«
Der hält mich wohl für blöd, dachte der Arzt. Von wegen Sicherheitsvorschriften! Wenn dem so wäre, hätten sie die Kadaver konsequenterweise in einen geschlossenen LKW laden müssen und nicht in eine alte Rostbeule. Was ging hier bloß vor?
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir die Labors und die Tiere einmal ansehe?«
Sein Gastgeber schüttelte den Kopf. »Ich persönlich nicht, Dr. Santos. Aber unsere Vorschriften verbieten mir, Ihnen den Zutritt zu den entsprechenden Gebäuden zu erlauben. Ich muß dafür um Ihr Verständnis bitten.«
Santos-Cruz sah Cruikshank nachdenklich an. »Ich sehe den Grund für diese Beschränkung nicht, aber Sie müssen ja wissen, was Sie zu tun und zu lassen haben. Ich bedauere es allerdings sehr, daß Sie sich so unkooperativ verhalten. Das könnte mich nämlich dazu zwingen, mir mit polizeilicher Erlaubnis den Zugang zu Ihren Gebäuden zu verschaffen.«
Cruikshank zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, ich bin an meine Vorschriften gebunden. Wenn Sie einen Durchsuchungsbeschluß erwirken wollen, kann Sie natürlich niemand daran hindern. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nein«, erwiderte Santos-Cruz kurz. »Nein, ich bin ohnehin schon hinter meinem Zeitplan zurück.« Er griff nach seinem Aktenkoffer. »Wahrscheinlich werde ich in absehbarer Zeit wieder bei Ihnen vorsprechen.«
Der Manager nickte. »Natürlich, jederzeit. Der Fahrer wartet unten auf Sie und wird Sie zurück zum Flugfeld fahren. Bitte haben Sie Verständnis, daß ich Sie nicht begleite. Ich habe noch eine Unmenge Arbeit!«
»Ja natürlich, lassen Sie sich durch mich nicht aufhalten«, erwiderte Santos-Cruz. »Auf Wiedersehen, Mr. Cruikshank!«
Emilio Roessner hatte unterdessen im Flugplatzcafé Kaffee getrunken und dabei Pena und Rodriguez, die beiden Piloten, beobachtet. Als sie gegessen hatten, erhob er sich von seinem schäbigen Barhocker und ging zu ihnen an den Tisch. In jovialem Ton fragte er: »Hallo, Sportsfreunde, seid ihr nicht die Piloten dieser Maschine da draußen?«
»Wer will das wissen?« meinte Pena.
»Ich«, antwortete Roessner. »Hört mal, nehmt ihr auch Fracht mit?«
»Sieht die Kiste aus wie eine Transportmaschine?« fragte Rodriguez gelangweilt.
Roessner zog zwei 100-Dollar-Noten aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. »Das sind echte Scheine. Zweihundert Knickers, bar.«
Das interessierte die beiden nun aber doch. »Was hast du denn zu transportieren?« wollte Pena wissen.
Roessner steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. »Hört zu, Männer, mein Kumpel und ich sammeln alte Autos. Er wohnt in Montevideo. Und jetzt habe ich hier in der Nähe einen uralten Packard
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